LIcht und Schatten im rotweißroten Team

Einen klaren Favoritensieg im Ausmaß von 3,5:1,5 feiert das rotweißrote Herrenteam in der 9. Runde der Schach-Olympiade im sibirischen Khanty-Mansiysk. Zwar kommt Ragger auf Brett 1 nicht über ein Remis hinaus, dahinter holen Shengelia, Neubauer und Kreisl aber nie gefährdete ganze Punkte und bringen unser Team auf Rang 32 in der Zwischenwertung, punktegleich mit Teams wie Kroatien, Norwegen, Slowenien oder Deutschland. Nicht so gut läuft es bei den Damen gegen Italien. Ein Sieg von Novkovic und eine schnelles Remis einer leicht kranken Eva Moser sind zu wenig, das Match geht 1,5:2,5 verloren. Heute geht es für die Herren gegen Kirgistan, die Damen spielen gegen Island. Russland steht im Damenbewerb praktisch schon als Sieger fest, hat das Team doch zwei Runden vor Schluss bereits 4 Punkte Vorsprung. Unter "Weiterlesen gibt es den Bericht der 9. Runde von Karl-Heinz Schein. (wk)
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Herren weiterhin exzellent im Rennen, die Damen müssen kleinere Brötchen backen

Ein lachendes und ein weinendes Auge blicken zurück auf die 9. Runde. Für die Herren lief es auch heute wiederum ausgezeichnet, gegen den Irak gab es einen nie gefährdeten 3,5:0,5 Erfolg. Bitter das Ergebnis bei den Damen: Mit der 1,5:2,5 Niederlage gegen Italien ist der Traum, die tolle Platzierung von Dresden 2008 zu überbieten, ausgeträumt. Der Reihe nach:

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Ein regnerischer Tag in Khanty-Mansiysk spiegelt sich auf den Straßen wider

Zu den Herren:

Von Anbeginn an konnte sich Trainer Zoltan Ribli entspannt zeigen: er hatte sein Team hervorragend auf die irakischen Außenseiter eingestellt. An allen Brettern entwickelte sich der Eröffnungskampf zugunsten der rotweißroten Mannschaft. David Shengelia hat seinen Hänger in der Mitte des Turniers endgültig überwunden und eroberte schon im frühen Mittelspiel durch dynamisches Spiel Material- und Stellungsvorteil. Mit der Qualität mehr war die Vorteilsverwertung für einen Großmeister von Davids Kaliber kein Problem. Auch die zweite Schwarzpartie unseres Teams war eine Caro-Kann-Verteidigung, so etwas wie die Modevariante des Herrenteams in Khanty-Mansiysk. Wie in den Runden zuvor verstand es Robert Kreisl wiederum, seine Figuren ausgesprochen harmonisch zu platzieren, was es ihm ermöglichte, die stürmischen Angriffsversuche seines Gegners souverän abzuwehren. Lehrreiches Caro-Kann-Spiel des Obersteirers, der hier in Sibirien zu großer Form aufläuft!

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David Shengelia siegt erneut mit Caro-Kann

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Österreichs Team in Runde 9: Ragger, Shengelia, Neubauer, Kreisl

Martin Neubauer steuerte den dritten vollen Punkt für das Herrenteam bei. Die etwas ungenaue Behandlung der slawischen Verteidigung seitens seines Gegners beantwortete er höchst präzise. Seine Stellungsvorteile setzte er gekonnt in den vollen Punkt um. Lange versuchte unser Spitzenbrett, mit dem Aufbau, der gestern David zum Erfolg verholfen hatte, zum Erfolg zu kommen. Sein irakischer Gegner verstand es jedoch, die Schotten dichtzuhalten und die Stellung komplett abzuriegeln –Remis!

Fazit:

Bei den Herren läuft es momentan ganz ausgezeichnet, zwei ungefährdete Siege in Folge und morgen in der Vorschlussrunde mit Kirgistan ein weiterer schlagbarer Gegner! Wenn ich eine kleine Hoffnung äußern darf: Morgen ein Sieg und in der Schlussrunde eine Sensation gegen einen Riesen – na, das wär doch was, oder nicht?

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Martin Neubauer blickt Ragger interessiert über die Schulter



Zu den Damen:

Wenn man in den letzten Tagen durch den Turniersaal ging, fiel einem das unaufhörliche Husten immer mehr SpielerInnen auf. Leider Gottes hat es auch unsere Eva erwischt, die seit einigen Tagen von starken Halsschmerzen geplagt wird. Sie war froh, nach wenigen Zügen und einem kurzen Remis gegen Großmeisterin E. Sedina wieder die Gelegenheit zu erhalten, sich auszukurieren. Julia Novkovic fand in der Vorbereitung eine interessante Methode, der Najdorf-Variante ihrer Gegnerin zu begegnen. Sie wählte den Aufbau mit h3 nebst g4 und schnürte ihre Gegnerin im „Anakonda-Stil“ ein. Mit dieser weiteren strategischen Glanzpartie brachte Julia unser Team in Führung; sie selbst wird besonders zufrieden sein, da ihr damit die Revanche für die Niederlage gegen dieselbe Gegnerin in Dresden 2008 gelungen war.

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Der Länderkampf gegen Italien beginnt


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Tina Kopinits kämpft, kann die Niederlage aber nicht verhindern

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Sechster Sieg für Julia Novkovic unter Beobachtung von Vizepräsident
Rober Zsifkovits, der zum Zonenpräsidenten von Europa gewählt wurde

Um den Wettkampf wenigstens nicht zu verlieren, benötigten wir aus den noch ausstehenden zwei Partien ein halbes Pünktchen und das wollte sich verflixterweise nicht und nicht einstellen. Katharina Newrlka erreichte ein durchaus akzeptables Mittelspiel, leider geriet sie wiederum in große Zeitnot. Die schwierige Verteidigung gegen eine kreativ agierende Italienerin forderte ihren Tribut , ihr unterlief ein Fehler, der sofort die Partie kostete. Da mittlerweile auch Tina in ein nicht haltbares Turmendspiel geraten war, zeichnete sich die Niederlage ab und nach fünf Stunden Spielzeit stand das Endergebnis fest: Italien 2,5, Österreich 1,5.

Fazit: Bis auf eine in Hochform agierende Julia Novkovic laufen die anderen Spielerinnen ihrer gewohnten Form hinterher. In den letzten beiden Runden werden wir alles versuchen, in der Tabelle so weit wie möglich hinaufzuklettern.

Also, schauen wir, ob es den Herren heute gelingt, gegen Kirgistan den dritten Sieg in Folge einzufahren und wie es unserem Damenteam gegen Island ergeht. Mehr wissen wir ab 1500 Uhr Ortszeit (11:00 in Österreich), wenn es dann wieder heißt: Lang lebe der rotweißrote König!

 

Im Pressezentrum gab GM Vladimir Tukmakov, der Kapitän im Herrenbewerb führenden Ukrainer ein interessantes Interview, aus dem ich einige Passagen zitieren möchte:

Reporter:

Ist es eigentlich schwierig, ein Team zu führen, in dem solche Stars wie Ivanchuk und Ponomariov spielen?

Vladimir Tukmakov:

Das ist freilich keine leichte Aufgabe. Man muss allen Spielern gegenüber fair sein und gleichzeitig sehr aufmerksam gegenüber den Bedürfnissen der Spieler sein. Manchmal muss man auch harte Entscheidungen treffen, weil der Kapitän immer das letzte Wort hat. Schach ist ein sehr individuelles Spiel und starke Persönlichkeiten zu managen ist nicht einfach. Man muss als Kapitän in der Lage sein, Kompromisse zu finden, aber auch harte Entscheidungen zu treffen.

Reporter:

In Mannschaftssportarten wirken Kapitäne auf ihre Spieler oft auf emotionale Weise ein.

Vladimir Tukmakov

Schach ist nicht so voll mit offenen Gefühlen wie Fußball, Eishockey oder Basketball. Aber die Spieler sind alles Menschen und sehr emotional, besonders in stressigen Situationen. Es ist klar, dass das Verhalten des Kapitäns zu einer guten Atmosphäre beitragen sollte.

Was sind ihre Hauptanforderungen, die sie an ihre Spieler stellen?

Vladimir Tukmakov:

Zuallererst müssen sie gut spielen. Wenn das passt, kann man ihnen auch vieles nachsehen.

Reporter:

Hat ihnen der ukrainische Schachverband ein Ziel vorgegeben?

Vladimir Tukmakov:

Es gab keine wirklichen Vorgaben. Nachdem wir jedoch solch eine starke Mannschaft sind, fühlen wir eine Verantwortung, uns so gut wie möglich zu präsentieren. Wenn sie eine direkte Antwort wollen: Ich würde sagen, ich wäre mit dem Erreichen der Startranglistenzahl zufrieden. (Anmerkung: Ukraine ist im Turnier als Nummer 2 gesetzt)


Zum Abschluss des Berichts folgen noch ein paar Foto-Impressionen:

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Für heute ist Schluss...