Olympia-Tagebuch 

SPECIAL


Schach-Olympiade Turin
21.05.-04.06.2006

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Tag 5


Das Olympia-Tagebuch von K.H. Schein
Tag 5
-  4. Runde



Do, 25. Mai 2006

Strahlender Sonnenschein und gute Laune im olympischen Dorf! Bei diesem „Schein“-Wetter darf  Schein einen Einblick in den Tagesablauf eines Trainers gewähren:


Die Olympischen Gemeinschaftsräumlichkeiten sind 
in ehemaligen Bahnhofhallen untergebracht.


Um 8.30 Uhr ist die Mannschaftsaufstellung für die kommende Runde abzugeben. Das dafür vorgesehene Protokoll wird in zweifacher Ausführung ausgefüllt und vom Schiedsrichter gegengezeichnet. Ein Exemplar gibt man ab, das zweite behält man. Danach geht es zum Frühstück. Wie bereits erwähnt, sind die Wartezeiten in der Schlange deutlich kürzer geworden.

Ab halb zehn schreibe ich den aktuellen Bericht für unsere Website. Anschließend wird der Text Walter Kastner gegeben und in einer kleinen Redaktionssitzung noch abgeklärt, welche Bilder aus unserem mittlerweile umfangreichen Archiv wir ebenfalls online stellen wollen.

Spannung kommt gegen 11.00 Uhr auf, denn dann werden an einem bestimmten Punkt im olympischen Dorf die aktuellen Mannschaftsaufstellungen ausgehängt. Dies ist für die SpielerInnen ein wichtiger Augenblick, denn erst nun kann man sich zielgerichtet auf die entsprechenden Gegner vorbereiten.

Die Zeit bis 13.30 ist nun der Partievorbereitung vorbehalten, ehe es zum Mittagessen geht. Danach spürt man im olympischen Dorf Bewegung: Gegen 14.30 setzt sich eine vielhundertköpfige Karawane in Richtung OVAL in Bewegung. Zwischen dem olympischen Dorf und der Spielhalle liegt ein Bahnhof, der mit einer architektonisch gewagt scheinenden Konstruktion überbrückt wird. Diese Art Hängebrücke schwankt ganz schön, wenn sich dort der Menschenstrom darüberwälzt. Wer unter Höhenangst leidet und schwankende Gondeln als Alptraum empfindet, tut gut daran, einen Shuttle-Bus in Anspruch zu nehmen.





Die Brücke über die Bahngleise auf dem Weg zum Turniersaal.


Der lange Weg zum Eingang im Süden.


Wichtig ist, dass jeder Spieler seinen Akkreditierungspass und eine zusätzliche „schwarze Karte“ mithat, sonst hat er keine Chance, in die Halle gelassen zu werden. Dies wird von den sehr höflich aber bestimmt auftretenden Kontrollorganen sehr ernst genommen. Ich habe z.B. beobachtet, wie Kortschnoi´s Ehefrau lang diskutieren musste, ehe sie die Erlaubnis erhielt, in die blaue Zone vorzudringen, um ihrem Gatten eine Tasse Kaffee bringen zu dürfen!

Um 15.00 Uhr ist der große Augenblick gekommen. Mittels Lautsprecher werden auf Englisch, Russisch und Italienisch die wichtigsten offiziellen Mitteilungen verkündet und nachdem die über 100 Schiedsrichter alle Uhren in Gang gesetzt haben, ist nur noch das leise Summen der Klimaanlage zu vernehmen. An den Spitzenbrettern scharen sich Trauben von Journalisten und die in dieser Hinsicht routinierten Weltklassegroßmeister lassen das mehrminütige Blitzlichtgewitter, das über sie hereinbricht, mit scheinbar stoischer Gelassenheit über sich ergehen.




Dicht umdrängst von Fotografierwütigen sind stets die Russen.


Mich interessiert natürlich besonders die Eröffnungsphase „meines“ Damenteams, denn nun ist der Augenblick der Wahrheit gekommen: Spielt die Gegnerin die von uns vorbereitete Variante, gelingt es bereits in der Anfangsphase einen gewissen psychologischen Startvorteil herauszukitzeln oder tappt man gar – ich wage nicht daran zu denken – in eine Eröffnungsfalle?  

Allmählich beruhigt sich das Nervenkostüm und man findet Zeit, im Rundenbulletin zu blättern, das recht ansprechend gestaltet ist. Es ist im Vierfarbendruck hergestellt, enthält zahlreiche Fotos und GM M. Cebalo  kommentiert in diesem Bulletin täglich die „Partie der Runde“. So enthält das gestrige Bulletin die Glanzpartie von V. Kramnik gegen A. Naiditsch. Außerdem werden sämtliche Einzelergebnisse der vergangenen Runde abgedruckt.  





Deutschlands Bundestrainer Uwe Bönsch list "Turin moves", während...


Während sein Team, hier mit Lutz und Thomas Luther der kommenden
Aufgabe entgegensieht.


Wer etwas Muße hat, kann auch beginnen, im Spielsaal gemütlich „zu flanieren“. Man kommt aus dem Schauen und Staunen nicht heraus, welch massive Anzahl von Weltklassespielern hier ihr Können unter Beweis stellt. Da der Weg von den Brettern zur „Spielercafeteria“ recht weit ist, freuen sich die Spielerinnen, wenn ihnen der Betreuer hilft Zeit zu sparen und ihnen diesen Weg abnimmt. 

Ist eine Partie beendet, gibt die Spielerin die sog. Schwarze Karte beim Schiedsrichter ab und muss sich nun in die rote Zone begeben. Von dort kann sie die restlichen Partien mitverfolgen. Ist eine Mannschaftsbegegnung zu Ende, unterschreibt der Kapitän ein Protokoll und erhält die „schwarzen Karten“ sämtlicher SpielerInnen ausgehändigt. Wenn man danach Lust hat, verspricht das Kiebitzen bei Partien, in denen die Spieler mittlerweile in die sog. „permanente Zeitnot“ gedriftet sind höchste Spannung. (Die Bedenkzeitregelung beträgt übrigens 90 Minuten für die gesamte Partie, pro Zug bekommt man eine Zeitgutschrift von 30 Sekunden.) So konnte ich bereits einige faszinierende Endspiele live mitverfolgen, die praktisch im Blitztempo abgespult wurden.  Sehr spannend war gestern z.B. das Läuferendspiel, das der georgische Großmeister Jobava gegen Arthur Jussupow gewonnen hat.



Analyserunde im Österreicher-Stockwerk.


Wenn gegen 20 Uhr die letzen Partien zu Ende sind, wird der Rückweg ins olympische Dorf angetreten. Nach dem Abendessen gibt es im „Österreicherstockwerk“ (5. Etage im Block 6 des olympischen Dorfes) die Analyserunde. Die Partien der ÖsterreicherInnen werden unter die Lupe genommen und organisatorische Fragen besprochen. Gegen 23 Uhr, wenn die Paarungen des nächsten Tages bekanntgegeben werden, beginnen bereits die Computer heißzulaufen, Chancen werden abgeschätzt und mit der Hoffnung auf eine tolle Partie (Königsangriff, Damenopfer, Matt in fünf Zügen…….) begleitet das Traummännlein unser Team in die wohlverdiente Nachtruhe.

Doch nun in die Turnier-Arena.



15.00 - Runde 4


Damen:
Österreich - Japan  0:3


Das Pendel schlägt wieder in die angenehme Richtung. 3:0 gegen Japan lautet das Ergebnis. Maria Horvath spielt eine der bislang kürzesten Gewinnpartien der Olympiade und zwingt ihre Gegnerin mit einem netten Springeropfer bereits nach 15 Zügen zur Aufgabe (siehe Partie der Runde 4). 

Helene Mira nützt die offene c-Linie zu einem positionellen Druckspiel aus, dem ihre Gegnerin nichts entgegenzusetzen hat. Ein Hinlenkungsopfer beendet Sonja Sommers systematisch vorgetragenen Königsangriff. Kurioses Detail: Die Tücken des Schweizer Systems führten in unseren Begegnungen bislang ausschließlich zu 3:0 Ergebnissen. 2 klare Siege stehen ebenso vielen glatten Niederlagen entgegen. Mit Finnland scheint heute ein Gegner zu warten, der von der Papierform her in unserem Bereich liegt. Eine spannende Auseinandersetzung ist vorprogrammiert.


Hier sind die Japanerinnen noch vom Sieg überzeugt...


... doch dann geht´s zur Sache.


Sonja Sommer sorgt gegen ...


Ishizuka Mirai mit einer hübschen Schlusskombi für das 3:0.


Sommer spielt hier mit Schwarz Txh2 worauf 
eine Springergabel auf f3 entscheidet..


Herren:
Österreich - Bangladesh  1,5:2,5

Gegen das mit GM Rahman  angetretene Bangla Desh war das österreichische Herrenteam Außenseiter. Allerdings war der Kampverlauf keineswegs einseitig. Drei ausgekämpfte Remispartien konnte man auf der Plusseite verbuchen, lediglich die Niederlage von Alvir Aco verhinderte, dass wir gegen einen nominell deutlich stärkeren Gegner das Resultat ausgeglichen halten konnten.

Obersteiermark bitte Daumen drücken: Kreisl Robert vom Schachklub Leoben hat heute sein Olympiadebut. Gegen Italien C wird er am 4. Brett eingesetzt.

Ein abschließender Tipp für Fans: Auf der Turnierwebsite lassen sich alle Partien live mitverfolgen!



Knappe Niederlage gegen Bangladesh



Impressionen aus dem Turniersaal



Anand arbeitet sich mit Indien langsam nach vorne.


In der Spitzenpartie trifft Russland auf China.




Zwar kommt Kramnik nur zu einem Remis, aber Russland siegt 3:1.


Stimmt. Es ist heiß in Turin.


Heiß her geht´s auch bei den Damen...


... hier spielen Russland und Litauen.






Deutschlands Elisabeth Pähtz.










In Lauerstellung: China.


In Zuschauerstellung: Fans auf der Tribüne.


Faces of the day...






... und der Fußballfreak von heute.


Maskottchen sind erlaubt...


... und offenbar beliebt.


Schach gespielt wird auch in der "Entry-Hall".


Im Analyseraum neigt sich der Tag zu Ende.



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