Das
Olympia-Tagebuch von K.H. Schein
Tag 5 - 4. Runde
Do, 25. Mai 2006
Strahlender Sonnenschein und gute Laune im olympischen
Dorf! Bei diesem „Schein“-Wetter darf Schein einen Einblick in den Tagesablauf eines Trainers gewähren:
Die Olympischen Gemeinschaftsräumlichkeiten sind
in ehemaligen Bahnhofhallen untergebracht.
Um 8.30 Uhr ist die Mannschaftsaufstellung für die
kommende Runde abzugeben. Das dafür vorgesehene Protokoll wird in
zweifacher Ausführung ausgefüllt und vom Schiedsrichter
gegengezeichnet. Ein Exemplar gibt man ab, das zweite behält man.
Danach geht es zum Frühstück. Wie bereits erwähnt, sind die
Wartezeiten in der Schlange deutlich kürzer geworden.
Ab halb zehn schreibe ich den aktuellen Bericht für unsere
Website. Anschließend wird der Text Walter Kastner gegeben und in
einer kleinen Redaktionssitzung noch abgeklärt, welche Bilder aus
unserem mittlerweile umfangreichen Archiv wir ebenfalls online
stellen wollen.
Spannung kommt gegen 11.00 Uhr auf, denn dann werden an
einem bestimmten Punkt im olympischen Dorf die aktuellen
Mannschaftsaufstellungen ausgehängt. Dies ist für die
SpielerInnen ein wichtiger Augenblick, denn erst nun kann man sich
zielgerichtet auf die entsprechenden Gegner vorbereiten.
Die Zeit bis 13.30 ist nun der Partievorbereitung
vorbehalten, ehe es zum Mittagessen geht. Danach spürt man im
olympischen Dorf Bewegung: Gegen 14.30 setzt sich eine
vielhundertköpfige Karawane in Richtung OVAL in Bewegung.
Zwischen dem olympischen Dorf und der Spielhalle liegt ein
Bahnhof, der mit einer architektonisch gewagt scheinenden
Konstruktion überbrückt wird. Diese Art Hängebrücke schwankt
ganz schön, wenn sich dort der Menschenstrom darüberwälzt. Wer
unter Höhenangst leidet und schwankende Gondeln als Alptraum
empfindet, tut gut daran, einen Shuttle-Bus in Anspruch zu nehmen.
Die Brücke über die Bahngleise auf dem Weg zum Turniersaal.
Der lange Weg zum Eingang im Süden.
Wichtig ist, dass jeder Spieler seinen Akkreditierungspass
und eine zusätzliche „schwarze Karte“ mithat, sonst hat er
keine Chance, in die Halle gelassen zu werden. Dies wird von den
sehr höflich aber bestimmt auftretenden Kontrollorganen sehr
ernst genommen. Ich habe z.B. beobachtet, wie Kortschnoi´s
Ehefrau lang diskutieren musste, ehe sie die Erlaubnis erhielt, in
die blaue Zone vorzudringen, um ihrem Gatten eine Tasse Kaffee
bringen zu dürfen!
Um 15.00 Uhr ist der große Augenblick gekommen. Mittels
Lautsprecher werden auf Englisch, Russisch und Italienisch die
wichtigsten offiziellen Mitteilungen verkündet und nachdem die über
100 Schiedsrichter alle Uhren in Gang gesetzt haben, ist nur noch
das leise Summen der Klimaanlage zu vernehmen. An den
Spitzenbrettern scharen sich Trauben von Journalisten und die in
dieser Hinsicht routinierten Weltklassegroßmeister lassen das
mehrminütige Blitzlichtgewitter, das über sie hereinbricht, mit
scheinbar stoischer Gelassenheit über sich ergehen.
Dicht umdrängst von Fotografierwütigen sind stets die Russen.
Mich interessiert natürlich besonders die Eröffnungsphase
„meines“ Damenteams, denn nun ist der Augenblick der Wahrheit
gekommen: Spielt die Gegnerin die von uns vorbereitete Variante,
gelingt es bereits in der Anfangsphase einen gewissen
psychologischen Startvorteil herauszukitzeln oder tappt man gar
– ich wage nicht daran zu denken – in eine Eröffnungsfalle?
Allmählich beruhigt sich das Nervenkostüm und man findet
Zeit, im Rundenbulletin zu blättern, das recht ansprechend
gestaltet ist. Es ist im Vierfarbendruck hergestellt, enthält
zahlreiche Fotos und GM M. Cebalo
kommentiert in diesem Bulletin täglich die „Partie der
Runde“. So enthält das gestrige Bulletin die Glanzpartie von V.
Kramnik gegen A. Naiditsch. Außerdem werden sämtliche
Einzelergebnisse der vergangenen Runde abgedruckt.
Deutschlands Bundestrainer Uwe Bönsch list "Turin moves",
während...
Während sein Team, hier mit Lutz und Thomas Luther der kommenden
Aufgabe entgegensieht.
Wer etwas Muße hat, kann auch beginnen, im Spielsaal gemütlich
„zu flanieren“. Man kommt aus dem Schauen und Staunen nicht
heraus, welch massive Anzahl von Weltklassespielern hier ihr Können
unter Beweis stellt. Da der Weg von den Brettern zur
„Spielercafeteria“ recht weit ist, freuen sich die
Spielerinnen, wenn ihnen der Betreuer hilft Zeit zu sparen und
ihnen diesen Weg abnimmt.
Ist eine Partie beendet, gibt die Spielerin die sog.
Schwarze Karte beim Schiedsrichter ab und muss sich nun in die
rote Zone begeben. Von dort kann sie die restlichen Partien
mitverfolgen. Ist eine Mannschaftsbegegnung zu Ende, unterschreibt
der Kapitän ein Protokoll und erhält die „schwarzen Karten“
sämtlicher SpielerInnen ausgehändigt. Wenn man danach Lust hat,
verspricht das Kiebitzen bei Partien, in denen die Spieler
mittlerweile in die sog. „permanente Zeitnot“ gedriftet sind höchste
Spannung. (Die Bedenkzeitregelung beträgt übrigens 90 Minuten für
die gesamte Partie, pro Zug bekommt man eine Zeitgutschrift von 30
Sekunden.) So konnte ich bereits einige faszinierende Endspiele
live mitverfolgen, die praktisch im Blitztempo abgespult wurden.
Sehr spannend war gestern z.B. das Läuferendspiel, das der
georgische Großmeister Jobava gegen Arthur Jussupow gewonnen hat.
Analyserunde im Österreicher-Stockwerk.
Wenn gegen 20 Uhr die letzen Partien zu Ende sind, wird der
Rückweg ins olympische Dorf angetreten. Nach dem Abendessen gibt
es im „Österreicherstockwerk“ (5. Etage im Block 6 des
olympischen Dorfes) die Analyserunde. Die Partien der ÖsterreicherInnen
werden unter die Lupe genommen und organisatorische Fragen
besprochen. Gegen 23 Uhr, wenn die Paarungen des nächsten Tages
bekanntgegeben werden, beginnen bereits die Computer heißzulaufen,
Chancen werden abgeschätzt und mit der Hoffnung auf eine tolle
Partie (Königsangriff, Damenopfer, Matt in fünf Zügen…….)
begleitet das Traummännlein unser Team in die wohlverdiente
Nachtruhe.
Doch nun in die Turnier-Arena.
15.00
- Runde 4
Damen:
Österreich - Japan 0:3
Das Pendel schlägt wieder in die angenehme Richtung. 3:0 gegen
Japan lautet das Ergebnis. Maria Horvath spielt eine der bislang kürzesten Gewinnpartien der Olympiade und zwingt ihre
Gegnerin mit einem netten Springeropfer bereits nach 15 Zügen zur
Aufgabe (siehe
Partie der Runde 4).
Helene Mira nützt die offene c-Linie zu einem
positionellen Druckspiel aus, dem ihre Gegnerin nichts
entgegenzusetzen hat. Ein Hinlenkungsopfer beendet Sonja Sommers
systematisch vorgetragenen Königsangriff. Kurioses Detail: Die Tücken
des Schweizer Systems führten in unseren Begegnungen bislang
ausschließlich zu 3:0 Ergebnissen. 2 klare Siege stehen ebenso
vielen glatten Niederlagen entgegen. Mit Finnland scheint heute
ein Gegner zu warten, der von der Papierform her in unserem Bereich
liegt. Eine spannende Auseinandersetzung ist vorprogrammiert.
Hier sind die Japanerinnen noch vom Sieg überzeugt...
... doch dann geht´s zur Sache.
Sonja Sommer sorgt gegen ...
Ishizuka Mirai mit einer hübschen Schlusskombi für das 3:0.
Sommer spielt hier mit Schwarz Txh2 worauf
eine Springergabel auf f3 entscheidet..
Herren:
Österreich - Bangladesh
1,5:2,5
Gegen das mit GM Rahman
angetretene Bangla Desh war das österreichische Herrenteam
Außenseiter. Allerdings war der Kampverlauf keineswegs einseitig.
Drei ausgekämpfte Remispartien konnte man auf der Plusseite
verbuchen, lediglich die Niederlage von Alvir Aco verhinderte,
dass wir gegen einen nominell deutlich stärkeren Gegner das
Resultat ausgeglichen halten konnten.
Obersteiermark bitte Daumen drücken: Kreisl Robert vom Schachklub
Leoben hat heute sein Olympiadebut. Gegen Italien C wird er am 4.
Brett eingesetzt.
Ein
abschließender Tipp für Fans: Auf der Turnierwebsite lassen sich
alle Partien live mitverfolgen!
Knappe Niederlage gegen Bangladesh
Impressionen aus dem Turniersaal
Anand arbeitet sich mit Indien langsam nach vorne.
In der Spitzenpartie trifft Russland auf China.
Zwar kommt Kramnik nur zu einem Remis, aber Russland siegt 3:1.
Stimmt. Es ist heiß in Turin.
Heiß her geht´s auch bei den Damen...
... hier spielen Russland und Litauen.
Deutschlands Elisabeth Pähtz.
In Lauerstellung: China.
In Zuschauerstellung: Fans auf der Tribüne.
Faces of the day...
... und der Fußballfreak von heute.
Maskottchen sind erlaubt...
... und offenbar beliebt.
Schach gespielt wird auch in der "Entry-Hall".
Im Analyseraum neigt sich der Tag zu Ende.
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