Olympia-Tagebuch 

SPECIAL


Schach-Olympiade Turin
21.05.-04.06.2006

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Tag 6


Das Olympia-Tagebuch von K.H. Schein
Tag 6
-  5. Runde



Natürlich suche ich hier in Turin auch den Kontakt zu anerkannten Experten auf dem Gebiet des methodisch durchdachten Schachtrainings. So hatte ich das Vergnügen, bei einer Tasse Kaffe mit Großmeister Adrian Mikhalchishin zu plaudern. Er ist stellvertretender Vorsitzender der FIDE-Trainer-Kommission.

Exklusiv für mein Olympia-Tagebuch gab er mir folgendes hochinteressante Interview.

Frage: Herr Mikhalchishin, sie sind in der Schachwelt als hervorragender Großmeister bekannt. Nicht jeder weiß aber, dass Sie in den letzten Jahren einen exzellenten Ruf als Schachtrainer genießen. Was hat sie dazu bewogen, ihre eigenen Ambitionen als Spieler zurückzustellen und sozusagen in das Trainerfach zu wechseln?

Antwort: Ich habe ja nicht ganz aufgehört, zu spielen, ich spiele ja in mehreren europäischen Teambewerben. Aber es ist einfach eine Tatsache, dass man im Alter von 50 Jahren nicht mehr auf dem Level wie mit 25 spielen kann. Viele Großmeister in diesem Alter werden dadurch langsam entmutigt. Für mich ist es in meinem Alter einfach die größte Freude, talentierten jungen Spielern helfen zu können. Nach dazu, weil es in der Schachwelt einfach viel zu wenig hervorragende Trainer gibt. Toptrainer der Spitzenklasse kann man an den Fingern einer Hand abzählen.

Frage: Welche Namen fallen Ihnen in diesem Zusammenhang spontan ein?

Antwort: Arshak Petrosjan, der mit Peter Leko arbeitet, J. Dorfman, Y. Razuvaev, P. Nikolic und E. Ubilava.

Frage: Bei dieser Aufzählung vermisse ich den Namen Dvorecky!

Antwort: Dvorecky schreibt exzellente Bücher, aber seine Arbeit als Trainer ist nicht unbedingt methodisch. Außerdem brauchst du beim Arbeiten mit Spielern der Weltklasse eine starke Hand. (Anmerkung: Das Interview habe ich mit GM Mikhalchishin auf English geführt. Wörtlich sagte er: „those guys need a strong hand!“)

Frage: Was meinen Sie damit, dass ein Trainer „eine starke Hand“ braucht?

Antwort: Man muss als Trainer beim Analysieren auch den stärksten Spielern Widerstand leisten können. Es darf nicht passieren, dass diese Klasseleute einen dauernd überspielen. Das ist schlimm für einen Trainer.

Frage: Wer von den bekannten Spielern hat eigentlich schon ihre „starke Hand“ beim Training verspürt?

Antwort: Gearbeitet habe ich z.B. mit A. Karpov,  A.Beljavski, den Polgar-Schwestern, A. Naiditsch und mit der serbischen Großmeisterin Alisa Maric.

Frage: Mit wem hat die Zusammenarbeit den meisten Spaß gemacht?

Antwort: Die größte Befriedigung als Trainer hatte ich bei der Zusammenarbeit mit den Polgarschwestern. Wir arbeiteten enorm intensiv. Bei unseren Trainingsseminaren, die eine ganze Woche dauerten, arbeiteten wir täglich 8 Stunden intensiv am Schachbrett, danach spielten wir 2 Stunden Blitzpartien und zum sportlichen Ausklang eine Stunde Tischtennis. 11 Stunden täglich waren wir also zusammen.

Frage: Was ist Ihre Tätigkeit hier bei der Olympiade in Turin?

Antwort: Ich bin als Trainer der Damennationalmannschaft von Holland hier.

Frage: Und wie stehen die Chancen?

Antwort: Das lässt sich noch nicht genau sagen. Bei einer Olympiade sind die 5 Schlussrunden am wichtigsten. Die muss man einfach top spielen.

Frage: Wie sieht hier in Turin das Trainingsprogramm mit der Mannschaft aus?

Antwort: Von 11.00 bis 13.00 Uhr bereiten wir uns auf die jeweiligen Gegnerinnen vor. Dies geschieht in Einzeltrainings, die jeweils ca. 45 Minuten dauern. Während der Runde beobachte ich natürlich genau die Partien meines Teams und nach Beendigung der Runde analysieren wir gemeinsam alle drei Partien. Das dauert ungefähr 2 Stunden. Anschließend geht die komplette holländische Mannschaft, also auch die Herren, noch auf einen gemeinsames Getränk in irgend ein Lokal in der Nähe. Das ist wichtig für den „Team-Spirit“. Spätestens Mitternacht sind alle im Bett.


Team-Spirit á la Holland.
Adrian Mikhalchishin und seine Damen...


Frage: Gesetzt der Fall, eine Spielerin würde über die Stränge schlagen und sagen wir, erst um drei Uhr morgens im Quartier eintreffen, wie würden Sie reagieren?

Antwort: Das ist eine rein hypothetische Frage, denn das kommt nicht vor. Unsere Spielerinnen werden vom holländischen Verband gut bezahlt und haben demnach eine hochprofessionelle Einstellung. Aber würde so etwas passieren, würde ich das natürlich in einem entsprechenden Bericht dem holländischen Verband mitteilen.

Frage: Dem Begriff „Russische Schachschule“ haftet im Westen noch immer etwas Mystisches und Geheimnisvolles an. Was hat es damit auf sich?

Antwort: Es gibt keine russische Schachschule! Sie existierte nicht. Jede Region der ehemaligen Sowjetunion hatte ihre ganz speziellen Trainer, die das Schachdenken in ganz bestimmte Richtungen lenkten. In Georgien z.B. war eine zeitlang GM Gurgenidse d i e Autorität. Er predigte unentwegt den Vorteil des Springers gegen den Läufer. Die Folge war, dass dort die Spieler besonders gerne ihre Läufer gegen die Springer tauschten. Die Letten waren unter ihrem Trainer Gipslis wiederum theoretisch besonders beschlagen. Eine völlig andere Richtung entwickelte sich hingegen in Leningrad, und die Spieler aus der Ukraine kreierten  eigene Systeme mit einem ganz besonders universalen Stil. Jede Region entwickelte also unter dem Einfluss einer ganz bestimmten Trainerautorität ihre ganz besondere Stilrichtung.

Frage: Wer war eigentlich ihr Trainer?

Antwort: Besonderen Einfluss hatte auf mich V. Kart. Auch GM Leonid Stein gab gegen uns junge Burschen lehrreiche Simultanpartien.

Frage: Kommen wir zur Olympiade hier in Turin. Was halten Sie von den Spielbedingungen?

Antwort: Die Spielbedingungen in der Halle sind sensationell. Vor allem haben die Spieler endlich genügend Platz. Dies war bei den vorhergehenden Olympiaden immer ein Problem.  Allerdings sind die Zustände im olympischen Dorf ganz einfach schlecht. Die Unterkünfte sind miserabel, auch das Essen war bei jeder anderen Olympiade, die ich erlebte, besser.

Frage: Noch eine letzte Frage: Welchen Tipp würden sie jungen SchachspielerInnen, die ihr Spiel verbessern wollen, mit auf den Weg geben?

Antwort: Sie müssen die Klassiker studieren!

Frage: Was meinen Sie genau damit? Die Partien von Paul Morphy z.B?

Antwort: Ich nenne Ihnen vier Namen: Rubinstein, Aljechin, Capablanca und Botwinnik. Und zwar aus folgendem Grund: Die Partien von Rubinstein dienen zum Erlernen von typischen positionellen Plänen. Aljechins Partien sind sehr wichtig, um die Bedeutung der Initiative zu erlernen. Capablancas Partien demonstrieren deutlich, was Technik bedeutet und Botvinniks Partien sind Meisterwerke der Schachstrategie.

Frage: Herr Mikhalchishin, herzlichen Dank für dieses ausführliche Interview.

Antwort: Sehr gerne! Auch dem österreichischen Team wünsche ich viel Erfolg im Turnier!


Doch nun in die Turnier-Arena.



15.00 - Runde 5


Damen:
Österreich - Finnland  1:2


Anna-Christina Kopinits geriet schon aus der Eröffnung heraus in eine schlechtere Stellung. Dank Kampfgeist und taktischem Geschick zauberte sie noch Gegenspiel aus der Stellung, das zum Remis reichte.

Maria Horvath belagerte den Isolani gegen Laura Savola über die ganze Partie, konnte aber den zähen Verteidigungswall der Finnin nicht durchbrechen. Helene Mira erlangte eine gute Stellung, wählte aber im Mittelspiel den falschen Plan und landete in einem verlorenen Turmendspiel.

Nach einem Ruhetag wartet am Samstag das nächste Nordlicht, die Mannschaft aus Island.


Finnland gegen Österreich...


... Tina täuscht mit falschen Leibchen.


Nach hartem Kampf...


... muss Captain Schein ein 1:2 zur Kenntnis nehmen.


Herren:
Italien C - Österreich  2:2

Remisorgie gegen Italien. Zwar drückten die österreichischen Herren auf allen Brettern gehörig auf den ganzen Punkt und hätten im Siegbestreben beinahe die eine oder andere gute Stellung überzogen. Zum Schluss löste sich alles in Wohlgefallen auf und nachdem sich der Pulverdampf verzogen hatte, wurde auf allen vier Brettern die Friedenspfeife geraucht. Schade um den verpassten Sieg.

Ein hochinteressanter Gegner folgt nun mit Quatar. Hinter ihrem großmeisterlichen Ehemann Mohammed Al Modhiaki spielt Ex-Weltmeisterin Zhu Chen auf Brett 3. Daumendrücken ist angesagt.


Gastgeschenke der Italiener gab´s nur zu Beginn.


Dann leistet Italien C erbitterten Widerstand.


Robert Kreisl schafft beim Olympia-Debut eines der 4 Remisen.



Impressionen aus dem Turniersaal


Die Runde startet mit Turin moves...




Iwantschuk gegen Georgiev.


Gata Kamsky


Alexander Morosewitsch


Peter Swidler


Rustam Kasimdzhanov


Das Damenteam aus Neuseeland.




Russland gegen Ukrainie. Kosteniuk verliert gegen Zhukova.


Im Schatten der FIDE-Fahne...


Vishy Anand


...und sein Teamkollege Sashikiran


China gegen Indien


Armenine gegen Russland bei den Herren.


Das Partieformular von Levon Aronian.


Granda Zuniga aus Peru.


Utut Adianto aus Indonesien.


Ohne Spielerpass und schwarzer Spielerkarte kommt man nicht in den blauen Bereich.


Portraits der Runde...
















Am Rückweg ins Olympische Dorf nach den Partien.


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