Das
Olympia-Tagebuch von K.H. Schein
Tag 7 - Ruhetag
Gestern war hier bei der Schacholympiade der erste Ruhetag. Diesen
nützte ein Teil unseres Teams, um sich die gastgebende Stadt näher
anzusehen. Von diesem Ausflug möchte ich im folgenden berichten:
Turin, die Hauptstadt des Piemont, hat an die 900 000 Einwohner
und kann auf eine mehr als zweitausendjährige Geschichte zurückblicken.
Als Hannibal im zweiten punischen Krieg 218 v. Chr. die Römer überraschte,
indem er über tiefverschneite Alpenpässe von Norden kommend in
die Poebene eindrang, fand er hier auf den Hügeln ansässige
keltisch-ligurische Volksstämme, die Taurini, vor. Römische
Historiker berichten, dass das Heer Hannibals
drei Tage brauchte, um dieses Dorf mit dem Namen Taurasia
zu zerstören.
Das Wappentier Turins, der Stier (lat. Taurus)
Durch die strategisch günstige Lage am Fluss Po wurde die
Ansiedlung immer wichtiger und zu Caesars Zeiten gab es dort, wo
heute Turin liegt, ein „castrum“, ein wichtiges Militärlager.
Mit dem Untergang des römischen Reiches begannen auch für Turin
die Wirren der Völkerwanderungszeit. Diese chaotische Phase
endete erst im Jahre 1562 , als die Stadt Sitz der Grafen von
Savoyen wurde. 1640 und 1706 widersetzte sich die Stadt der
Belagerung durch die Franzosen. Von 1720 bis 1861 (ausgenommen die
Jahre 1800-1814, als es zu Frankreich gehörte) war Turin
Hauptstadt des Königreiches Sardinien-Piemont. Die Stadt war
Mittelpunkt des Risorgimento, der Bewegung für die Einheit
Italiens im 19. Jahrhundert. Von 1861 bis 1865 war Turin
Hauptstadt des Königreiches Italien. Die Residenzen des Hauses
Savoyen in Turin und Umgebung wurden von der UNESCO 1997 zum
Weltkulturerbe erklärt.
Heutzutage verbindet man den Namen Turin wohl am ehesten mit drei
"Trade-Marks". Zum einen ist die Stadt Hauptsitz von FIAT, dem führenden italienischen
Kraftfahrzeughersteller, dann sorgt der Fußballverein Juventus
Turin für (in der letzen Zeit nicht immer positive) Schlagzeilen
und schlussendlich war die Stadt der Gastgeber der heurigen
olympischen Winterspiele.
Begleitet uns nun auf einen Rundgang, der einige der wichtigsten
Sehenswürdigkeiten in Wort und Bild festhalten wird:
Direkt vom olympischen Dorf fährt der Bus Nr. 14 ins
Stadtzentrum. Angenehm ist, dass der Akkreditierungspass der
Teilnehmer der Schacholympiade für die Dauer des Turniers auf sämtlichen
Verkehrslinien Turins als Freikarte gilt. Der Bus bringt uns zum
„Piazza Solferino“, wo wir unseren Rundgang beginnen. Zwei
futuristisch anmutende Pavillons („Atrium Citta“ und „Atrium
2006“) beherbergen Ausstellungen zur Stadtgeschichte und zu den
olympischen Winterspielen. Der Architekt
Georgetto Giugario ist insofern bekannt, als dass er
für Maserati und Alfa Romeo viele Autos designte.
Das Atrium 2006, Ausgangspunkt unseres Rundgangs.
Durch die „Via Santa Teresa“ führt uns der Weg zum „Piazza
San Carlo“. Dieser weitläufige Platz gilt als einer der schönsten
Europas. Seine eleganten barocken Gebäude mit den weit
ausladenden Torbögen stammen aus der Mitte des 17. Jahrhunderts.
Hier merken wir, wie
intensiv die Bevölkerung der Stadt an der Schacholympiade Anteil
nimmt: Informationsstände, überdimensionale Schachbretter,
Simultanveranstaltungen unter freiem Himmel und als Spaßmacher
verkleidete Moderatoren, die mit Mikrophonen bewaffnet Partien
launig kommentieren lassen uns staunen. Übrigens sind sämtliche
wichtige Straßen der Stadt mit Flaggen und
Plakaten geschmückt, die auf die Schacholympiade
hinweisen.
Piazza San Carlo - das Herz der Stadt im Zeichen der
Schach-Olympiade
Der Moderator staunt über die aggressive "Danner-Variante".
Vorbei am ägyptischen Museum (das nach dem ägyptischen Museum in
Kairo weltweit bedeutendste Museum seiner Art mit mehr als 30 000
Exponaten) führt uns der Weg zum Wahrzeichen der Stadt, zur
„Mole Antonelliana“.
Mit einer Höhe von 167,5 Meter dominiert das Gebäude das
Stadtbild. Vom Architekten Allesandro Antonelli geplant, wurde der
Bau 1862 begonnen und 1889 fertiggestellt, im selben Jahr übrigens
wie der Pariser Eiffelturm. Seinerzeit war das Gebäude das höchste
Ziegelbauwerk Europas.
Mole Antonelliana - das höchste Museum der Welt
Aus zwei Gründen ist es für Besucher besonders interessant. Zum
einen führt ein Panoramalift auf eine Aussichtsplattform, die
einen atemberaubenden Blick auf Turin bietet.
In weniger als einer Minute auf die Aussichstplattform - mit
Höhenangst wird dies eine lange Minute...
Turin liegt uns zu Füßen!
Zum anderen beherbergt das Gebäude das „Museo Nazionale del
Cinema“, das einzige Kinomuseum Italiens und eines der
bedeutendsten weltweit. Es genießt den Ruf als „höchstes
Museum der Welt“! Für Cineasten ein absolutes Muss!
Originalkostüme und -drehbücher sowie andere Requisiten aus berühmten
Filmen, eine Unmenge von Posters, Fotos und Filmplakaten sowie
zahlreiche in originellen Nischen simultan laufende Filme lassen
das Herz jedes Kinofreaks höher schlagen.
Schachfilme im Filmmuseum
Ausgestellt werden einzigartige Gegenstände von der Zeit des
Stummfilms bis heute. So sieht man die Melone Charlie Chaplins,
Schuhe und Schmuck von Marilyn Monroe oder das furchtbare Wesen
aus dem Science fiction Klassiker „Aliens“. In einem Rahmen
von szenographischen Ausstattungen und Vorführungen, die durch
die Ausstellung von Bildern, Skizzen und Gegendständen bereichert
ist, läuft der Besucher durch die großen Themen der
Filmgeschichte. Im riesigen „Tempel-Saal“ können die Besucher
auf „chaises longues“ ausruhen und von dort aus sich Kinofilme
und die eindrucksvollen Licht- und Schattenspiele der Kuppel
anschauen.
Das Original-Drehbuch von Fellinis "Casanova".
Für uns Schachspieler war der Eintritt übrigens kostenlos. Ein
besonderer Dank von dieser Stelle an die Stadtgemeinde Turin!
Fotoausstellung mit Starfotos
Österreich - Finnland 1:2. Das bereitet auch Bob Dylan
Kopfschmerzen.
Sonja Sommer und Faye Dunaway Aug in Aug
Aco Alvir im Gedanken schon beim Kampf gegen Ex-WM Zhu Chen
Das Lächeln der Kellnerin tröstet über die Rechnung hinweg.
Im Schatten dieses eindrucksvollen Monumentes genossen wir eine
Tasse Capuccino, ehe wir unseren Weg zum Poufer in Richtung Piazza
Vittorio Veneto fortsetzten Dieser riesige Platz wurde von
Giuseppe Frizzi entworfen. Auf drei Seiten von Arkaden begrenzt, führt
er zum Fluss Po und zur Brücke „Vittorio Emanuele I“ Diese
wurde von den Franzosen während der napoleonischen Ära
(1810-1814) erbaut.
Hier trennte sich die Spreu vom Weizen.
Piazza Vittorio Veneto
Auf meinen Vorschlag hin, am jenseitigen Ufer den „Monte dei
Cappuccini“ zu erklimmen, entschlossen sich interessanterweise
spontan einige zur Rückkehr ims olympische Dorf! Harald,
Aco, Maria, Sonja und ich setzen den Stadtrundgang jedoch fort.
Der Po.
Jenseits des Pos besuchten wir zuerst die Kirche „Gran Madre di
Dio“, die zwischen 1827 und 1831 erbaut wurde. Nachempfunden ist
sie dem berühmten römischen Pantheon und erinnert an die Rückkehr
von Viktor Emanuel I. nach der französischen Okkupationszeit.
Anschließend ging es hinauf auf den Monte dei Cappuccini, wo sich
die Kirche Santa Maria del Monte und ein Kapuzinerkonvent
befinden. Dieses beherbergt übrigens
das Nationale Gebirgsmuseum (Museo Nazionale della Montagna),
eines der wichtigsten seiner Art überhaupt. Spektakulär von dort
oben ist auch der wunderbarer Ausblick über Turin..
Am Ziel - der höchste Punkt des Rundgangs.
Nun geht es langsam zurück.. Am Flussufer entlang spazieren wir
zur Brücke „Umberto I“ und überqueren den Fluss wieder in
Richtung Stadtzentrum.
Den „Corso Vittorio Emanuelle II“ entlang streben wir die
bekannteste Einkaufsstraße der Stadt an, die „Via Roma“. Hier
finden sich die elegantesten und teuersten Geschäfte Turins. Vom
Hauptbahnhof Porta Nuova bis zum Piazza Costello ist die Straße
auf einer Länge von 750 Metern durchgängig mit einem Säulengang
überdacht, der beim Flanieren und Einkaufen Schutz vor Sonne und
Regen bietet!
Vom Piazza San Carlo gelangen wir wieder zurück zum Piazza
Solferino, dem Ausgangspunkt unserer mehrstündigen Wanderung.
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