Olympia-Tagebuch 

SPECIAL


Schach-Olympiade Turin
21.05.-04.06.2006

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Tag 8


Das Olympia-Tagebuch von K.H. Schein
Tag 8
- 6. Runde



Heute wollen wir gemeinsam durch das olympische Dorf spazieren, das uns noch bis zum 4. Juni als Heimstatt dienen wird!





Die an sich faszinierende Idee dieser Schacholympiade, die Infrastruktur der Turiner Winterspiele 2006  zu nutzen, und an einem zentralen Ort für zwei Wochen die Schachwelt zu versammeln, scheint sich langsam zu bewähren. Es ist in der Tat ein richtiges Schachdorf geworden. Nach etlichen Anlaufschwierigkeiten hat man  sich im olympischen Dorf eingelebt und auch die Organisatoren haben nach und nach wichtige Einrichtungen bereitgestellt. Zwar ist es weiterhin schwer, im Internet-Cafe einen freien Platz zu ergattern, doch gibt es nun  eine Wäscherei, eine Cafeteria oder den schon erwähnten Supermarkt. Sehr beliebt bei den jüngeren SchachspielerInnen ist  der Raum, wo eine Vielzahl von Playstations installiert wurde. Als „Relax-zone“ tituliert, kann man in sich hier - vielleicht zum Abreagieren -  an einer Vielzahl von  Computerspielen versuchen.





Ohne Akkreditierungskarte ist es praktisch unmöglich, in die rundum eingezäunte „Residential Zone“ (der offizielle Begriff hier fürs olympische Dorf) zu gelangen.



Der Wohnbereich besteht aus einer zweistelligen Anzahl von 5-stöckigen Gebäuden. Die bunt angestrichenen Fassaden wirken frisch und lebendig. Einige Nationen haben an Fenstern, Balkons und Terrassen  die jeweilige Nationalflagge angebracht, was dem Ganzen einen zusätzlichen internationalen Flair verleiht.



Ab morgen beginnen hier zahlreiche Kongresse der FIDE. In Räumlichkeiten, die man nach großen Schachspielern der Vergangenheit benannt hat (z.B. Aljechin Raum, Steinitz-Raum, Capablanca-Raum usw.) werden Sitzungen abgehalten, die sich mit verschiedensten Themen befassen, wie Schach in Schulen, gezieltes Schachtraining, Schach und Philatelie usw.   





Als Höhepunkt steht dann die Generalversammlung mit der Neuwahl des Präsidenten an. Diese wirft bereits insofern ihre Schatten voraus, als dass FIDE-Präsident Kirsan Iljumshinov gestern persönlich in der Spielhalle war und gemeinsam mit seinem Team an seinem Stand massenweise Werbegeschenke wie T-Shirts, Kugelschreiber, Schlüsselanhänger usw. verteilt hat. Ebenso sieht man viele Anhänger der „Gegenpartei“ von Herausforderer Bessel Kok demonstrativ mit den typischen orangenen T-Shirts mit der Aufschrift „the right move“ herumgehen.

Überall an den Eingangstüren und Fenstern der Wohnblocks sind Informationsschriften mit den wichtigsten Terminen angebracht. Viele freuen sich schon auf die groß angekündigte „Bermudaparty“, das Riesenfest für die Schachgemeinde hier in Turin. Wir werden sehen, ob die einen eigenen Bericht wert wird…



Das gesamte Areal war übrigens früher Bahnhofsgelände und einige Teile des Eingangsbereiches erinnern architektonisch noch daran.





Das Schlendern durch dieses Areal ist eigentlich immer interessant. Besonders zu den Zeiten, wenn die Auslosungen und die Teamaufstellungen der jeweiligen Runden bekannt gegeben werden, kann man in den verschiedensten Sprachen der Welt lebhafte Diskussionen über die Tücken des Auslosungssystems mitverfolgen, wer will, kann abends in der Cafetaria Weltklassegroßmeistern beim Analysieren ihrer Partien über die Schultern schauen. 




Österreichs Captain Danner hat die Auslosung als einer der Ersten. Im Hintergrund erflehen Schweschnikow und Lputian Beistand von oben.


Graf und Jussupow bei der Analyse.

Außerhalb des Geländes, auf der anderen Straßenseite befindet sich das „Cafe Alexander“, das jeden Abend mit SchachspielerInnen aus allen Kontinenten zum Bersten vollgefüllt ist. Dann kann es schon passieren, dass Mitglieder von trinkfesten Nationalmannschaften auf dem Heimweg den ersten Frühaufstehern begegnen….



Die beiden Pizzerias in der Nähe dürften in diesen Tagen ebenfalls das Geschäft ihres Lebens machen; Viele Teams genießen das momentan hervorragende Wetter, um außerhalb des olympischen Dorfes typisch italienisches Flair zu atmen.




Doch nun in die Turnier-Arena.


15.00 - Runde 6


Damen:
Island - Österreich 1:2


Ein auf allen drei Brettern hart umkämpftes Duell, das mit einem Sieg der Isländerinnen endete. Auf Brett 1 musste sich Helene Mira gehörig strecken, um die Angriffsversuche von Großmeisterin Ptacnikova zu neutralisieren. Schlussendlich hatte sie mit einer gehörigen Portion Kampfgeist den Remishafen erreicht. Tina Kopinits spielte ihre erste Weißpartie hier in Turin. Leider unterschätzte sie den unkonventionellen Aufbau ihrer Gegnerin und witterte die Gefahren, die auf sie lauerten, zu spät. Auf Brett 3 hätte es Sonja Sommer in der Hand gehabt, gegen die Internationale Meisterin Gretarsdottir den Wettkampf ausgeglichen zu halten. Der erfolgversprechende Königsangriff wurde nicht mit letzter Konsequenz durchgezogen. Unterm Strich ist ihr Remis aber sicherlich nicht als Misserfolg zu werten.

Ein nettes Detail am Rande:

Als ich ihrem Coach Bragi Kristjannson als kleines Geschenk unsere Zeitschrift Schach-Aktiv überreichte, studierte er interessiert das Titelfoto und erkannte Walter Wittmann, mit dem er – wie er mir erzählte – in den 60-er Jahren eine Turnierpartie gespielt hatte.









Herren:
Österreich - Quatar  1:3

Das Herrenteam musste eine deutliche Niederlage hinnehmen. Während Neubauer gegen GM Al-Modiahki und Genser Remis erreichten, sah sich Herwig Pilaj gegen IM Al Sayeed mit einem neuen, giftigen Eröffnungskonzept konfrontiert, gegen das er kein Gegenmittel fand. Eine tolle Show boten Alvir Aco und Zhu Chen den mitfiebernden Kiebitzen. In beiderseitiger Zeitnot verdarb Aco leider Gottes die Chance, mit einem greifbar nahe scheinenden Sieg den Wettkampf unentschieden zu halten.



Nicht leicht ist die Aufgabe gegen Quatar mit 4 Titelträgern und GM auf Brett 1..


Harald Genser erreicht mit Schwarz souverän ein Remis...




... während Ex-WM Zhu Chen gegen Alvir hart zu kämfen hat.


Das Finale zieht beide Delegationen in ihren Bann. Links die Österreicher, rechts das Team aus Quatar. Die taktische Schlusspointe gehört leider Zhu Chen.




Foto-Highlights der Runde:



Knapp vor 15.00 Uhr strömen Zuschauer und Spieler in die Halle...


... vorbei geht´s  an der Computer-WM im Voraum (hier spielen gerade
Junior gegen Shredder).


Die Ersten nehmen bereits ihren Platz ein.

Die Zuschauer drängen zu den interessantesten Brettern.


Deutschlands Christopher Lutz.


Letzte Lockerungsübungen der Gesichtsmuskulatur.


Russlands Rublevsky rückt seine Figuren zurecht.


... und Anand scherzt mit Besel Kok, der beim FIDE-Kongress um
die Präsidentschaft antritt.


USA gegen China.


Bu, die Nummer 1 von China...


... schlägt Gata Kamsky. Dennoch siegt die USA.


Im Focus der Zuschauer und Fotografen...


... müssen die Russen durch Absperrung geschützt werden.


Im Mannschaftsdress spielt es sich leichter.


Brettbrille, der neuste Schrei der WM.


Skripchenko wirkt schon ein wenig müde von den Turnieranstrengungen.


Hellwach werden die ersten Züge aufs Brett gesetzt.








Ungarn gegen Russland...


... mit einer total vertieften Kosteniuk auf Brett 1.











Chinas Damen haben Aufholbedarf.




Viktor Korschnoi präsentiert neue Bücher...


... das Fernsehen präsentiert Viktor Kortschnoi.




Wer Zeit hat kann schnell mal ...


... am Stand einen Fiat kaufen.


Zurück in die Halle kommt man am Analyseraum vorbei.


Inzwischen werden die Endphasen der Partien... 


... mit Spannung verfolgt,


und manchmal sogar gefilmt.


Tiefe Einblicke in die Stellung gelingen nur mit ...


vollster Konzentration. 

Die Zeitregel von 90 Minuten + 30 Sekunden pro Zug...


... machen das Finish zur Nervensache unter den Augen der Unparteiischen.


Die Zuschauer verfolgen die letzten Partien.


Eine davon spielt Kosintseva gegen Madl.


Turm gegen gefährlichen Randbauern ist das Zeitnotthema.


Österreichs Heinz Herzog sorgt für aktuelle Ergebnisse und Auslosung...


... und bringt sie am Abend gleich mit zu den Österreichern. Diesmal freut sich Karl-Heinz Schein über die lösbare Aufgabe für sein Damenteam. Gegner in Runde 7 ist Südafrika.


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