Das
Olympia-Tagebuch von K.H. Schein
Tag 9 - 7. Runde
Eine Tür
mit der Aufschrift „Pairing Commitee“ verbirgt einen der
wichtigsten Beiträge Österreichs zur diesjährigen
Schacholympiade. Das für dieses Turnier verwendete
Auslosungsprogramm „Swiss-Manager“ wurde nämlich vom Österreicher
Heinz Herzog programmiert. Er ist selbstverständlich hier vor
Ort. Allabendlich besucht er auch das österreichische Team und
versorgt uns mit aktuellen Informationen.
Ich hatte das Vergnügen, mit ihm ein Interview zu führen
Karl-Heinz Schein:
Was ist dein Beitrag
hier für eine gelungene Olympiade?
Heinz Herzog: Ich
hatte bereits im Vorfeld der Olympiade einige Arbeit zu erledigen.
2 Wochen vor der Olympiade erhielt ich von den Organisatoren eine
Excel-Datei mit den Namen der teilnehmenden Spielerinnen und
Spieler. Allerdings war in den Listen die vorgesehene
Brettreihenfolge nicht vermerkt, manchmal waren Vor- und Nachnamen
vertauscht und es war auch nicht angegeben, welche Damen in
Herrenteams mitspielten. So habe ich jeden einzelnen Spieler (in
Summe mehr als 1300) in der FIDE-Liste gesucht und somit die Liste
auf den aktuellsten Stand gebracht.
Ich reiste bereits einige Tage vor dem offiziellen Beginn des
Turniers nach Turin. Hier wurde im Vorfeld eine Teambesprechung
mit dem Paarungs-Komitee abgehalten, und am Samstag vor
Turnierbeginn haben wir die noch immer -inoffizielle-
Teilnehmerliste in den Computer eingegeben.
In der Nacht vor der ersten Runde ging es dann richtig los. Nach
dem „Captains Meeting“ erhielt ich gegen 0:45 die tatsächlichen
Aufstellungen (inklusive Ersatzspieler) aller teilnehmenden
Mannschaften. Gemeinsam mit Hauptschiedsrichter Gert Gijssen
arbeiteten wir die Nacht durch und um 06:30 war die Auslosung für
die 1. Runde fertig. Um 8:30 wurden die Teamaufstellungen für die
1. Runde abgegeben und so konnten wir ab 09:30 die einzelnen
Paarungen eingeben. Anschließend wurden sie im Internet veröffentlicht
und die entsprechenden Dateien mit Detailinfos an das
Organisationskomitee und an die FIDE verschickt. Danach konnten
wir das erste Mal durchatmen. Es hatte alles geklappt und das
Turnier war ordnungsgemäß angelaufen.
Karl-Heinz Schein:
Warum hat die FIDE
gerade dich und dein Programm gewählt?
Heinz
Herzog: Für
Schacholympiaden gibt es ganz spezifische Auslosungsregeln. So
werden z.B. die Runden 1-4 nach einem anderen System ausgelost als
die restlichen Runden 5-13. Diese speziellen Anforderungen werden
weltweit nur von zwei Programmen erfüllt. Das eine stammt von
Christian Krause, das andere von mir. Seit der Olympiade von Bled
2002 bin ich mit meinem Programm bei olympischen Spielen
vertreten. Nach Calvia 2004 bin ich somit hier in Turin das dritte
Mal dabei.
Karl-Heinz
Schein: Kannst
du ein bisschen über die Entstehung deines Programms erzählen?
Heinz Herzog: Eine
detaillierte Entstehungsgeschichte des Programms „Swiss-Manager“
kann man auch im Internet unter swiss-manager.at
nachlesen. Begonnen hat alles 1985. Ich spielte damals für den
Schachklub Breitensee und wir veranstalteten jährlich ein
Turnier, das sog. „Carasaxa-Turnier“. Dieses Turnier wurde im
Schweizer System ausgetragen und gemeinsam mit einem Freund
schrieben wir ein einfaches Programm, das uns die Auslosung machen
sollte. Es funktionierte so leidlich. Ein weiterer wichtiger
Schritt war dann ein Programmier-Praktikum an der Wiener Universität.
Bis heute habe ich mindestens 3000 Arbeitsstunden in die
Entwicklung des Programms investiert.
Karl-Heinz Schein:
Und dein Programm ist
nun fertig?
Heinz Herzog: Ein
Programm ist eigentlich nie fertig. Es wird ständig verbessert.
Man muss immer wieder auf Kundenwünsche eingehen, und auch Regeln
können sich ändern.
Karl-Heinz
Schein: Wer
besitzt eigentlich dein Programm und wie viel kostet es?
Heinz Herzog: Die
Vollversion kostet € 199. Momentan habe ich Kunden aus 40
Schachföderationen weltweit. Gerade heute hat die „Syrian Chess
Federation“ eine Vollversion bestellt.
Besonders
kundenfreundlich ist aus meiner Sicht die Möglichkeit, gespielte
Turniere mit den wichtigsten Daten sehr leicht ins Internet zu
Stellen. Auf der entsprechenden Seite der Wiener Zeitung sind
aktuell 2989 Turniere online archiviert. Und von Jahr zu Jahr
nimmt die Anzahl deutlich zu.
Die aktuelle Schacholympiade ist momentan natürlich besonders
gefragt. Die gigantischen Zugriffszahlen auf die Daten dieses
Turniers freuen mich sehr.
Karl-Heinz Schein:
Welche besonderen
Arbeiten fallen bis zum Schluss dieses Turniers noch an?
Heinz Herzog: Der
Tagesablauf ist im wesentlichen festgelegt. Morgens wird auf die
Spielerpaarungen gewartet, die werden dann erfasst, überprüft,
ausgedruckt, veröffentlicht und in Form von Excel -
und HTML-Dateien an die Turnierorganisatoren und an die FIDE
geschickt. Nachmittags, wenn dann allmählich die ersten
Ergebnisse einlangen, werden diese erfasst. Nach Schluss der Runde
erfolgt die endgültige Datenerfassung und die Auslosung.
Zusatzarbeit
fällt noch für die Schlussrunde an. Dafür habe ich mir einen
speziellen Aufgabenkatalog zurechtgelegt:
Titelbestimmungen müssen überprüft und ins Programm eingebaut
werden.
Die Eloberechnung und die speziellen Kategoriepreise müssen
eingebaut werden, ebenso wie die Brettpreise und die
ELO-Performance-Preise.
Eine Sonderregelung gilt es für die Mannschaft Italien C zu
beachten. Die darf zwar an der Olympiade mitspielen, kann aber
keine Preise gewinnen. Auch diese Vorgabe muss ich speziell
programmieren. Schlussendlich müssen noch alle Excellisten geprüft
werden, Geburtsdaten sind noch zu kontrollieren und die fehlenden
Mannschaftskapitäne müssen noch eingegeben werden.
Karl-Heinz Schein:
Bei dieser Menge an
Arbeit will ich nicht weiter stören. Vielen Dank für dieses
informative Interview und weiterhin viele zufriedene Kunden!
Doch nun in die Turnier-Arena.
15.00
- Runde 7
Damen:
Österreich - Südafrika 1:2
Die
schwarze Serie reißt nicht ab. Pechvogel der Runde war Tina
Kopinits. Am 1. Brett spielte sie eine „unvollendete“
Glanzpartie. Gegen die sizilianische Verteidigung kam sie durch
ein energisches und
kreatives Angriffsspiel zu einer totalen Gewinnstellung. In
Zeitnot hätte sie einfach ein dreizügiges Matt geben können,
doch leider Gottes ließ sie diese Möglichkeit aus und musste
schlussendlich eine tragische Niederlage hinnehmen.
Sonja Sommer wagte es, das umstrittene Albins-Gegengambit zu
spielen und hatte in der Eröffnung einige bange Momente zu überstehen,
bis sie mittels taktischer Komplikationen ein zum Ausgleich genügendes
Gegenspiel hervorzauberte. Maria Horvath akzeptierte in besserer
Stellung das Remisangebot ihrer Gegnerin. Leider hatte sie einen
Zwischenzug nicht weit genug berechnet, der ihr gute Möglichkeiten
geboten hätte, die Partie im Gewinnsinne fortzusetzen. Es bleibt
zu hoffen, dass heute gegen Botswana das Blatt endlich gewendet
wird und wir nach drei knappen Niederlagen in Folge endlich auf
die Siegerstraße zurückkehren.
Herren:
Österreich - Andorra
3:1
Ein tolles
Ergebnis für unser Team. Alvir Aco und Kreisl Robert spielten
ganz hervorragende Positionspartien und ließen auf Brett 3 und 4
ihren Gegnern keine Chance. Die Partie von Alvir finden sie
kommentiert in der Partiensammlung. An den ersten beiden Brettern
gab es für GM de la Riva und IM Oms kein Durchkommen. Pilaj und
Danner hielten locker remis.
Nach 7 Runden
wird es Zeit für ein erstes Zwischenergebnis der
Einzelleistungen:
Damen:
Mira:
1,5 aus 5
Kopinits:
1,5 aus 5
Sommer:
3 aus 6
Horvath:
3 aus 5
Herren:
Neubauer:
3,5 aus 6
Pilaj:
3,5 aus 7
Danner:
2,5 aus 5
Alvir:
2,5 aus 6
Genser:
0,5 aus 2
Kreisl: 1,5
aus 2
Foto-Highlights der Runde:
K.-H. Schein auf der Suche nach Tatoos...
... und anderen Rückenansichten.
Dann geht´s ins Pressezentrum, wo der Laptop ins Netz gebracht
und das Olympiatagbuch online gestellt wird.
Er nutzt die Zeit ökonomischer.
Deutschlands Bundestrainer Bönsch im Interview.
Pressemeldungen gehen raus in alle Welt.
Während der Eingabe...
... werden nebenbei die Partien der Österreicherinnen verfolgt.
=> Back
|