Das
Olympia-Tagebuch von K.H. Schein
Tag 12 - 10. Runde
Gestern ging es heiß her in der sog. „Hiroshima-Discothek“!
Die von SchachspielerInnen
aus aller Welt schon herbeigesehnte Bermuda-Party war angesagt.
Und tatsächlich sah man ab 23.00 Uhr auf der Tanzfläche und beim
Small-Talk alles, was in der Schachwelt Rang und Namen hat. So
mancher Weltklassegroßmeister stellte sich als durchaus umgänglich
heraus; als Sonja Sommer den russischen Superstar Peter Svidler um
ein Autogramm bat, lächelte er freundlich: „Sure, if you hold
my whiskey..!“
Nach Mitternacht hörte man plötzlich eine fröhliche
GM-Runde, angeführt von Joel Lautier ein lautstarkes „Happy
Birthday“ anstimmen: Nigel Short feierte seinen 41. Geburtstag.
Schwer hatte es Vladimir Kramnik. Als er auf der Tanzfläche
erschien, stürmten zig SpielerInnen bewaffnet mit Digicams auf
ihn ein. Daraufhin trat er schleunigst den Rückweg an. Die
feuchtfröhliche Party hielt bis in die frühen Morgenstunden an,
deshalb war es heute den ganzen Tag über im olympischen Dorf
auffallend ruhig. Vielleicht ist es jetzt der richtige Moment, über
die nun in Turin anstehenden Dopingkontrollen zu sprechen:
Ab 30. Mai gibt es hier bei der Schacholympiade die
Dopingkontrollen. Ärzte des italienischen Sportkomitees (CONI),
des Olympischen Komitees (IOC) und des internationalen
Schachverbandes (FIDE) werden in einer festgelegten Prozedur per
Losentscheid ermitteln, wer kontrolliert wird. Zuerst wird
entschieden, ob die Kontrolle im Herren- oder im Frauenturnier
durchgeführt wird. Die zweite Ziehung wird die Begegnung, die
dritte die Brettnummer ermitteln und schlussendlich wird gezogen,
ob der Weiß- oder Schwarzspieler kontrolliert wird.
Die
Namen der Spieler, die für die Dopingkontrollen ermittelt
werden, bleiben geheim. Der Schiedsrichter informiert den
entsprechenden Spieler direkt im Anschluss an seine gespielte
Partie. Bis zur Schlussrunde werden pro Tag zwei Spieler gezogen,
in der Schlussrunde werden es acht sein. Zusätzlich
müssen die Spieler in den Medaillenrängen mit
Dopingkontrollen rechnen.
Doch nun in die Turnier-Arena.
15.00
- Runde 10
Damen:
Österreich - Venezuela 2:1
Das Hoch der österreichischen Damenmannschaft hält an. Gegen das
starke Team aus Venezuela wurde ein beachtlicher 2:1 Sieg
eingefahren. es ist an der Zeit den Kampfgeist der Damen besonders
hervorzuheben. Bislang wurde kein einziges (!) Kurzremis gespielt.
So gingen auch heute wieder alle 3 Partien über die volle
Distanz. Helene Mira auf Brett 1 nahm volles Risiko, wählte
bewusst eine halsbrecherische Variante aber meisterte leider den
akrobatischen Hochseilakt nicht ganz.
Nun lag es an den Brettern 2 und 3, den 0:1 Zwischenstand
wettzumachen. Dies gelang in vorbildlicher Weise. Sonja Sommer
spielte eine Glanzpartie mit Schwarz in der schottischen
Eröffnung. Als unsere Top-Scorerin kristallisiert sich Maria
Horvath heraus. Heute gab es mit Weiß für ihre Gegnerin nichts
zu bestellen. Fazit: 5/7 ist der hervorragende Zwischenstand der
Wienerin.
Daumendrücken für die letzten drei Runden ist angesagt. Der
nächste Gegner nach dem zweiten Ruhetag ist Bosnien-Herzegowina.
Top-Scorerin Maria Horvath (Mitte) bei der abendlichen
Analyserunde
Herren:
Österreich - Turkmenistan 1,5:2,5
Einen bösen Auftakt erwischte das Herrenteam gegen Turkmenistan.
Aco Alvir passiert ein Blackout in der Eröffnung und musste als
Weißer schon nach 13 Zügen die Segel streichen. Von diesem
Schock musste sich das rot-weiß-rote Team erst einmal erholen.
Georg Danner, wie immer akribisch vorbereitet, neutralisierte
seinen großmeisterlichen Gegner auf Brett 2.
Die erste Niederlage im fünften Olympiaeinsatz musste Teamneuling
Robert Kreisl hinnehmen. Die unkonventionelle Antwort auf seine
grünfeldindischen Verteidigung brachte Schwierigkeiten, die zu
Bauern- und Partieverlust führten. Der Lichtblick der Runde war
der Sieg von Martin Neubauer auf Brett 1.
Solider Ausgleich mit Schwarz gegen einen GM.
Unglücksrabe Alvo Acir mit Kurzniederlage.
Foto-Highlights des Tages:
Die Wahl zum FIDE-Präsidenten steht unmittelbar bevor.
Herausforderer Besel Kok gibt ein Interview.
Am Abend folgen Präsentationen von Olympia-Bewerbern für 2010.
Kurt Jungwirth im Gespräch mit einem russischen Vertreter.
Das Bewerbungsteam aus Sibirien zeigt den Delegierten...
... was sie zu erwarten haben.
Zurück im olympischen Dorf, das abends...
... einen eigenen Charme entwickelt.
Spät bevölkert ist noch der Wireless-Internet-Point.
Weniger der Platz zwischen den einzelnen Häusern.
Ein letzter Blick aus dem Fenster...
... dann wird es Zeit.
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