Dresden-Tagebuch
05
Eine Minute zu spät!
Es ist passiert, in der zweiten Runde kam es zum ersten
Kontumazpunkt wegen Unpünktlichkeit. Die von der FIDE gewährte
Schonfrist galt also nur in der 1. Runde. Und so spielten sich
dramatische Szenen am Rande der Begegnung der
Aserbaidschanerinnen gegen die Mannschaft Kirgisiens ab. Janyl
Tilenbaeva aus Kirgisien erschien eine Minute nach 16 Uhr am
Brett und verlor dadurch die Partie. Die Spielerin flehte den
Schiedsrichter an, ihr die Verspätung nachzusehen, doch der
kannte keine Gnade. Die neue Regel, wonach alle pünktlich am
Brett sein müssen, wurde so erstmals einer Spielerin zum Verhängnis.
Sie rannte heulend auf die Toilette…
Herren Runde 4
Br. |
54 |
Austria
(AUT) |
Elo |
- |
77 |
Turkmenistan
(TKM) |
Elo |
3
: 1 |
33.1 |
GM |
Ragger Markus |
2518 |
- |
IM |
Kakageldyev
Amanmurad |
2449 |
1 - 0 |
33.2 |
GM |
Kindermann Stefan |
2517 |
- |
FM |
Esenov Annaberdi |
2319 |
1 - 0 |
33.3 |
IM |
Atlas Valery |
2465 |
- |
|
Atabaev Yusyup |
2219 |
1 - 0 |
33.4 |
IM |
Neubauer Martin |
2422 |
- |
IM |
Amanov Mesgen |
2357 |
0 - 1 |
Anders bei den Österreichern, die uns keinen Grund zum Heulen
geben, ganz im Gegenteil. Prächtige Stimmung im Teamquartier
und bestimmt auch bei den Fans zuhause! Schauen wir gleich auf
die gestrigen Begegnungen. Das 4:0 der Herren gegen Jordanien
kam im Stile einer Klassemannschaft zustande. Siegi Baumegger glänzte
durch seine attraktive Schlusskombination und Martin Neubauer
siegte in überlegenem positionellem Stil. Mit sauberer Technik
verwertete er seinen Mehrbauern. Großmeister Kindermann ließ
seinem Gegner auf Brett zwei ebenfalls keine Chance. Nachdem er
schon gegen den norwegischen Spitzenmann Agdestein seine
italienische Eröffnung recht erfolgreich aufs Brett gesetzt
hatte, wählte er gestern wiederum diese altehrwürdige Eröffnung;
sein Gegner konnte die Chancen nie gänzlich ausgleichen und
wurde sukzessive überspielt. Dramatik an Brett 1, als Markus Ragger
eine kleine Kombination des Gegners nicht genügend würdigte
und eine Qualität geben musste. Allerdings erhielt er gewisse
Kompensation in Form eines Plusbauern und einer recht sicheren
Figurenstellung. Mit
einer großen kämpferischen Leistung drehte er das Spiel noch.
Somit kam unter dem Strich dieses klare 4:0 heraus, das uns mit
großen Hoffnungen in die heutige Begegnung gegen das schwer
ausrechenbare Team von Turkmenistan blicken lässt. Statt
Baumegger kommt heute wieder Valery Atlas zum Zug.
Erster Sieg für Martin Neubauer
Damen Runde 4
Br. |
36 |
Austria
(AUT) |
Elo |
- |
61 |
Bangladesh
(BAN) |
Elo |
3
: 1 |
19.1 |
IM |
Moser Eva |
2376 |
- |
WFM |
Shamima Akter
Liza |
2094 |
1 - 0 |
19.2 |
WFM |
Kopinits
Anna-Christina |
2270 |
- |
|
Khan Nazrana |
1987 |
1 - 0 |
19.3 |
WFM |
Novkovic Julia |
2161 |
- |
WFM |
Parveen Seyda
Shabana |
2079 |
½ - ½ |
19.4 |
|
Newrkla Katharina |
2071 |
- |
WFM |
Parveen Tanima |
2066 |
½ - ½ |
Fast ebenso erfolgreich gestaltete sich das Spiel unserer Damen,
die ebenfalls gegen Sri Lanka antraten. Die nur scheinbar ruhige
Philidor-Eröffnung wählend, überspielte Eva Moser
am ersten Brett ihre Gegnerin mit Schwarz. Auf dem zweiten Brett
konnte Tina schon zum zweiten Mal eine Springergabel anbringen-
der auf d5 auftauchende Springer verwirrte ihre Gegnerin
offenbar so sehr, dass diese, in dem Wunsch, dieses Monster
sofort abzutauschen, eine direkte Gabel auf e7 übersah. So
erhielt unsere Tina von mir den Adelstitel „Prinzessin der
Springergabeln“ verliehen. Schauen wir, ob sie sich im Laufe
des Turniers dieses Titels noch würdig erweist.
Prinzessin der Springergabeln: Tina Kopinits
Offenbar haben
die Damen aus Sri Lanka mit Springergabeln ihre Probleme. Just
in dem Moment, als sie zweizügig eine verheerende Gabel
anwenden konnte, gab die Gegnerin von Julia Novkovic ihre Partie
remis. Ein kurioses Ende einer Partie, die lange Zeit im Zeichen
der Österreicherin gestanden hatte. Dies war die erste
Begegnung in Dresden, bei der uns Caissa so richtig huldvoll über
die Schulter blickte. Eine zähe, komplizierte Kampfpartie
entwickelte sich auf Brett 4. Helene Mira
versuchte alles Mögliche, um am Damenflügel durchzudringen und
gleichzeitig das Gegenspiel ihrer
Kontrahentin am Königsflügel einzudämmen. Um ein Haar wäre
dieses Vorhaben auch geglückt, um ein Haar ging es sich nicht
aus und die Partie endete in einem schlussendlich für beide
Seiten gerechten Dauerschach. 3: 1 gegen Sri Lanka ergeben
weitere zwei wertvolle Matchpunkte.
Spannung ist also weiterhin angesagt. Mit einem
Gesamtscore von 7: 1 gegen Sri Lanka wenden wir uns nun der
kommenden Aufgabe zu:
Ich hoffe, ihr seid alle dabei wenn es heute um 15 Uhr heißt:
Computer einschalten, Daumen drücken und die Live-Übertragung
genießen. Die Herren gegen Turkmenistan, die Damen gegen
Bangladesh. Lang lebe unser König!
Ich darf noch einige Infos zu unseren heutigen Gegner-Nationen anfügen:
(Quelle: Wikipedia)
Turkmenistan:
Turkmenistan grenzt (im Uhrzeigersinn) an Kasachstan,
Usbekistan,
Afghanistan,
den Iran
und das Kaspische Meer. Nahezu 80 % der Landfläche
werden von der Wüste
Karakum
eingenommen, die sowohl aus Sand- als auch Geröllwüstengebieten
besteht. Im Westen erstrecken sich die Hochebene von Türkmenbaşy und der Große Balkan. Dieser fällt in Richtung Süden zum Karakum-Kanal
(Turkmenischer Hauptkanal) ab, auf dessen anderer Seite die
Landschaft in das Kopet-Dag-Gebirge übergeht, das sich größtenteils
im Iran befindet, in Turkmenistan im Berg Reza 2.942 m und
im Iran 3.191 m Höhe erreicht. Während Richtung Südosten
nach Afghanistan noch einige Ausläufer des Gissargebirges
aufragen, befindet sich der höchste Berg des Landes, der
Ayrybaba (3.139 m), an der östlichen Grenze zu Usbekistan.
Es herrscht überall kontinentales Klima
mit extrem heißen und trockenen Sommern und kalten Wintern.
Das Land ist ein Wüstenstaat.
Die Verkehrsströme verlaufen gebündelt entlang der ehemaligen Seidenstraße
in Ost-West-Richtung von Samarqand (Usbekistan)
über Aşgabat nach Türkmenbaşy am Kaspischen Meer.
Zudem plant die turkmenische Regierung die Anlegung eines künstlichen
Sees in der Karakumwüste.
Die Fertigstellung des Projektes wird 2010 erwartet. Die Seefläche
soll geschätzte 3500 km² betragen.
In der „Rangliste der Pressefreiheit 2006“ von Reporter ohne Grenzen rangiert Turkmenistan
auf dem zweitletzten Platz, vor dem Schlusslicht Nordkorea.
Alle inländischen Medien unterstehen der Zensur.
Russischsprachige Zeitungen dürfen nicht vertrieben werden. Der
einzige Internet-Anbieter ist die staatliche Monopolgesellschaft
TurkmenTelekom.
Bangla Desh
Bangladesch ist ein Staat in Südasien.
Er grenzt im Süden an den Golf von Bengalen, im Südosten an Myanmar
und wird sonst von Indien
umschlossen. Er nimmt den östlichen Teil der historischen
Region Bengalen
ein, der 1947
aufgrund der muslimischen Bevölkerungsmehrheit von Indien
abgespalten und unter der Bezeichnung „Ostpakistan“ zum
Bestandteil Pakistans
wurde. 1971
erlangte Ostpakistan infolge des Bangladesch-Kriegs unter dem Namen Bangladesch
seine Unabhängigkeit. Bangladesch bedeutet in der Landessprache
„Land der Bengalen“.
Mit 147 Millionen Einwohnern (Stand: 2006) ist
Bangladesch das siebtbevölkerungsreichste Land der Erde und mit
einer Bevölkerungsdichte von mehr als 1000 Menschen je
Quadratkilometer auch der am dichtesten besiedelte Flächenstaat
der Welt. Lediglich 26 Prozent der Einwohner leben in Städten.
Die Bevölkerung stieg in den letzten 18 Jahren um ca. 25 Mio.
Dies liegt unter anderem an der hohen Geburtenrate. Sie lag 2006
bei 2,98 Prozent, während die Sterberate 0,83 Prozent
betrug. Die Bevölkerung nimmt jedes Jahr um etwa 2,1 Prozent
zu, und die durchschnittliche Kinderzahl liegt bei 3,11.
Seit Jahren baut Indien an einem mit Stacheldraht gesicherten
Grenzwall, welcher die 4000 km lange Grenze gegen illegale
Migration aus Bangladesh abriegeln soll. In Indien leben schätzungsweise
20 Millionen Bangladescher.
Pressekonferenz
Zum
Abschluss werfen wir einen Blick ins Pressezentrum der
Kongresshalle. Jeden Abend um 20 00Uhr moderiert die
Exweltmeisterin Zsuzsa
Polgar eine Pressekonferenz
mit täglich
wechselnden Gästen. So nahmen gestern Abend neben ihr Werner Stubenvoll
und die drei Großmeister Stefan Kindermann, Alejandro Ramirez
und Vladislav Tkachiev Platz. GM Kindermann, betone vor
versammelter internationaler Schachpresse, dass er sich im österreichischen
Team sehr wohl fühle und alles probieren werde, die
hochgesteckten Erwartungen zu erfüllen. Er berichtete auch von
seiner „Münchener Schachschule“ die er gemeinsam mit einer
Geschäftsführerin leitet. Über dieses Projekt werde ich euch
noch ausführlich berichten. Werner Stubenvoll
erklärte Regelfragen, besonders neugierig war der australische
GM Rogers, der das komplizierte Wertungssystem genau erklärt
bekommen wollte. GM Ramirez aus Costa Rico, der mit 10 Jahren
schon FIDE-Meister geworden ist, berichtete
über seinen schachlichen Werdegang und sprach auch über seine
Glanzpartie, die er gestern gegen Nepal spielte. Das
phantastische Damenopfer solltet ihr euch nicht entgehen lassen.
Europameister Tkachiev sprach über seine Visionen, das Schach
populärer zu machen. Er wünscht sich mehr Superstars in der
Schachszene und denkt, dass das Blitzschach eine ideale Form für
Fernsehübertragungen wäre.
Pressekonferenz mit Zsuzsa Polgar, Stefan Kindermann und Werner
Stubenvoll
Ramirez gelingt eine Glanzpartie (siehe Olympiasplitter)
Kindermann unterzeichnet Olympiaplakat
Blick auf Dresden
Zum Abschluss meines heutigen Berichtes möchte
ich den ersten Blick auf die Stadt Dresden werfen. Ich werde in
den nächsten Tagen die bemerkenswertesten Bauwerke
dieser interessanten Stadt an der Elbe vorstellen.
Werfen wir einen Blick vom Rathausturm auf das
barocke Ensemble der Altstadt. Dabei fällt sofort die imposante
Frauenkirche auf. Sie ist eine evangelisch-lutherische Kirche des Barocks
und der prägende Monumentalbau des Dresdner Neumarkts. Sie gilt als eines der
architektonisch reizvollsten Kirchengebäude Europas aus dieser
Epoche und als prachtvolles Zeugnis des protestantischen Sakralbaus.
Der neben dem Straßburger Münster größte Sandsteinbau
der Welt verfügt zugleich über eine der größten steinernen
Kirchenkuppeln nördlich der Alpen.
Die Dresdner Frauenkirche wurde von 1726 bis 1743
erbaut. Im Zweiten Weltkrieg wurde sie während der Luftangriffe auf Dresden in der Nacht vom 13.
zum 14. Februar 1945 durch den in Dresden wütenden Feuersturm
schwer beschädigt und stürzte am Morgen des 15. Februars
ausgebrannt in sich zusammen. In der DDR blieb ihre Ruine
erhalten und diente als Mahnmal. Nach der Wende
begann 1994 der 2005 abgeschlossene Wiederaufbau, den Fördervereine
und Spender aus aller Welt finanzieren halfen.
Am 30. Oktober 2005 fand in der Frauenkirche ein Weihegottesdienst und Festakt statt. Aus dem Mahnmal
gegen den Krieg soll nun ein Symbol der Versöhnung
werden.
|