Bemerkenswert erfolgreich sind die Österreicher bei der Schach EM 2013 vom 5. bis 16. Mai im polnischen Legnica. Der Kärntner Markus Ragger qualifziert sich zum zweiten Mal in Serie für den World Cup, die erste Stufe der Weltmeisterschaften. Eine Großmeisternorm des Steirers Robert Kreisl und sehr gute Leistungen von David Shengelia sowie Nachwuchshoffnung Martin Christian Huber runden einen starken rot-weiß-roten Auftritt ab. Europameister wird der Ukrainer Alexander Moiseenko vor den Russen Evgeny Alekseev und Evgeny Romanov. Einen ausführlichen Foto-Bericht gibt es unter Weiterlesen... (wk, Foto: Ursula Huber)
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Alle Partien der Österreicher
Legnica - Austragungsort der Schach EM 2013
Markus Ragger geht vom Start weg auf sein großes Ziel, die Qualifikation für den World Cup, los. Der World Cup ist die erste Stufe der Schach Weltmeisterschaft und wird als K.O.-Turnier mit 128 Teilnehmern ausgetragen. Von der Europameisterschaft in Legnica qualifizieren sich lediglich 23 Spieler. Das bedeutet bei der großen Dichte an Großmeistern einen Kampf auf Biegen und Brechen. Die ersten sieben Runden verlaufen für Ragger mit drei Siegen und vier Unentschieden nach Plan, doch dann folgt in Runde acht ein Rückschlag mit einer Niederlage gegen den Armenier Hrant Melkumyan. Dank seiner hervorragenden mentalen Stärke steckt Ragger dieses Missgeschick umgehend weg und kontert mit Siegen gegen den Türken Alexander Ipatov und den Aserbeidschaner Gadir Guseinov. In der Schlussrunde sichert ein Remis gegen den Tschechen Zbynek Hracek mit 7,5 Punkten Rang 18 - punktegleich mit Rang 9 - und das heißersehnte Ticket für den World Cup. Ragger ist mit dieser Leistung hinter dem Spanier Francisco Vallojo Pons zweitbester Spieler aus Westeuropa.
Markus Ragger bei seinem wichtigen Sieg in Runde 10
Der Steirer Robert Kreisl ist überhaupt die Sensation des Turnieres. Kreisl geht mit seiner Elozahl von 2380 nur als Nummer 209 von 286 Teilnehmern ins Turnier, spielt aber stets in der erweiterten Spitzengruppe gegen stärkste Gegnerschaft und landet mit einer Performance (Turnier-Elo-Leistung) von 2655 mit Rang 93 mitten im Feld der stärksten europäischen Großmeister, von denen gleich 143 am Start waren. Zugleich bedeutet dieses Ergebnis für Kreisl seine erste Norm für den internationalen Titel eines Schach Großmeisters. Seine herausragende Leistung wird von den Veranstaltern mit Rang zwei in einer Spezialwertung gekrönt, die sich aus der Turnierleistung minus der eigenen Elozahl errechnet. Dazu sei bemerkt, dass die Spielstärke eines Schachspielers recht genau mit seiner Elozahl bewertet wird, in die jede gespielte Partie einfließt. Die Turnierleistung ergibt sich aus dem Durchschnitt der Elozahlen der Gegner in Verbindung mit dem erzielten Ergebnis und besitzt hohe Aussagekraft über die persönliche Leistung. Die fünfzehnjährige steirische Nachwuchshoffnung Martin Christian Huber belegt in dieser Spezialwertung Rang 10 und lässt mit diesem sehr guten Ergebnis bei seinem EM Debut für die Zukunft hoffen.
Robert Kreisl spielt sensationell im Kreis der Großmeister und erzielt eine GM-Norm
Martin Christian Huber legt eine Talentprobe ab und holt einen Spezialpreis
Erwähnenswert ist auch der Auftritt von David Shengelia. Der geborene Georgier lebt seit langem in Wien, hat inzwischen die österreichische Staatsbürgerschaft, bringt sein Schachwissen als Bundestrainer ein und ist eine Stütze der Nationalmannschaft. In Legnica sorgt Shengelia in den ersten Runden für Furore, remisiert in Runde vier gegen den Franzosen Maxime Vachier-Lagrave, die Nummer 3 des Turniers und besiegt tags darauf mit dem Ukrainer Alexander Areschchenko die Nummer 5. Nach fünf Runden liegt Shengelia mit diesen Leistungen auf Rang 1 in der Zwischentabelle.
Tabelle nach der 5. Runde
Rg. | Name | FED | Elo | Pkt. | Wtg1 | |
1 | GM | SHENGELIA David | AUT | 2546 | 4.5 | 2679 |
2 | GM | MOISEENKO Alexander | UKR | 2698 | 4.5 | 2624 |
3 | GM | ALMASI Zoltan | HUN | 2695 | 4.0 | 2629 |
4 | GM | KHALIFMAN Alexander | RUS | 2614 | 4.0 | 2619 |
5 | GM | ELJANOV Pavel | UKR | 2702 | 4.0 | 2614 |
6 | GM | ALEKSEEV Evgeny | RUS | 2700 | 4.0 | 2609 |
7 | GM | KHAIRULLIN Ildar | RUS | 2657 | 4.0 | 2607 |
8 | GM | KOROBOV Anton | UKR | 2705 | 4.0 | 2606 |
9 | GM | TKACHIEV Vladislav | FRA | 2632 | 4.0 | 2603 |
10 | GM | GRACHEV Boris | RUS | 2687 | 4.0 | 2602 |
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Es ist das erste Mal, dass ein Österreicher diesen Platz inne hat. In der zweiten Turnierhälfte verliert Shengelia nur gegen den späteren Europameister Moiseenko und Ian Nepomniachtchi, einem Spieler, der bereits die russische Meisterschaft gewonnen hat. Das wirft ihn etwas zurück, unterm Strich bleibt neben der Genugtuung die Besten Europas kräftig geärgert zu haben ein Platz in den Top-100 und eine sehr gute Turnierleistung. Nationalcoach Zoltan Ribli darf sich bei dieser EM über die Früchte seiner seit 2006 kontinuierlich geleisteten Aufbauarbeit freuen.
David Shengelia und Zoltan Ribli bei der Analyse
Die bemerkenswertesten Siege gelingen Robert Kreisl in der vierten Runde gegen Ivan Cheparinov (BUL, 2700) und David Shengelia in der fünften Runde gegen Alexander Areshchenko (UKR, 2709). Überhaupt fällt auf, dass Ragger, Shengelia und Kreisl gegen Königs- und Grünfeldisch besonders erfolgreich sind. Die beiden 2700-er werden mit dem "Grünfeld-Killer" erlegt, beide Partien dauern 42 Züge. Die Österreicher setzen auf eine Variante, die von Boris Gelfand und Alexander Tschernin erfolgreich etabliert und auch von Wladimir Kramnik gerne genutzt wurde. Inzwischen hat Schwarz aber ausreichend "Gegengift" gefunden. Oder doch nicht? Erwähnt sollte auch werden, dass Ivan Cheparinov der Chefsekundant von Veselin Topalov ist und Grünfeldindisch zur Vorbereitung der WM Kämpfe zählte. Insbesondere Kreisl hatte es mit einem Experten zu tun.
Robert Kreisl - Ivan Cheparinov
1. Nf3 Nf6 2. c4 c5 3. Nc3 d5 4. cxd5 Nxd5 5. d4 Nxc3 6. bxc3 g6 7. e4 Bg7 8. Rb1 O-O 9. Be2 b6 10. O-O Qc7 11. Bg5 Bb7 12. Qd3 e6 13. Qe3 Nd7 14. Bf4 e5 15. Bg3 Rae8 16. d5 Kh8 17. Rfd1 f5 18. exf5 gxf5 19. Bh4 Qd6 20. Bb5 h6 21. Nd2 Rf7 22. Nc4 Qf8 23. Qg3 Kh7 24. a4 f4 25. Qh3 Bc8 26. d6 Rf5 27. Be7 Qf7 28. Bc6 Rh5 29. Qd3+ Kh8 30. Bd5 Qf5 31. Be4 Qe6 32. Bg6 Rg5 33. Bxe8 Rxg2+ 34. Kxg2 e4 35. Qf1 e3 36. fxe3 Bb7+ 37. Kf2 Nf6 38. Ke1 Ne4 39. Rbc1 f3 40. d7 f2+ 41. Qxf2 Nxf2 42. d8=Q 1-0
David Shengelia - Alexander Areshchenko
1. d4 Nf6 2. c4 g6 3. Nc3 d5 4. cxd5 Nxd5 5. e4 Nxc3 6. bxc3 Bg7 7. Nf3 c5 8. Rb1 O-O 9. Be2 cxd4 10. cxd4 Qa5+ 11. Bd2 Qxa2 12. O-O Bg4 13. Bg5 h6 14. Be3 Nc6 15. d5 Bxf3 16. gxf3 Nd4 17. Bxd4 Bxd4 18. Qxd4 Qxe2 19. Kg2 b6 20. Qe5 Rfe8 21. h4 Rac8 22. Rbc1 a5 23. Rxc8 Rxc8 24. Qxe7 Qd2 25. d6 Rc3 26. Qe8+ Kg7 27. Qe5+ Kg8 28. Qe8+ Kg7 29. Qe5+ Kg8 30. Qf6 h5 31. Rb1 Rc2 32. Qd8+ Kg7 33. Qxb6 a4 34. e5 a3 35. d7 Qxd7 36. Qf6+ Kh7 37. Rb8 Rc8 38. Rxc8 Qxc8 39. Qxf7+ Kh6 40. Qa7 Qc3 41. e6 g5 42. e7 1-0
Die beiden Partien "Grünfeld Killer" zum Online-Nachspielen bei ChessBase:
Partien nachspielen...
Erstmals bringt Österreich drei Spieler in die Preisränge einer EM. Markus Ragger sichert sich mit Rang 18 einen der Hauptpreise, Robert Kreisl gewinnt den 2. Preis in der Spezialwertung "Performance minus eigener Elozahl" und Martin Huber schnappt sich in der gleichen Wertung Rang 10.
Markus Ragger bei der Siegerehrung
Die Spezialpreisträger mit Robert Kreisl und Martin Christian Huber
Bei all diesen Erfolgen darf man keineswegs die Leistungen der anderen Österreicher vergessen. Andreas Diermair erreicht nach einem guten Finish mit 5,5 Punkten noch die 50% Marke, musste aber ebenso wie Mario Schachinger nach einem mäßigen Start das Feld von hinten aufrollen. Schachinger und Alexander Fauland landen in der Gruppe der Spieler mit je 5 Punkten, wobei Fauland im Rahmen seiner Eloerwartung spielt, Neo-IM Schachinger leider darunter bleibt. Fauland gelingt in der vierten Runde ein feiner Sieg gegen Vasif Durarbayli (AZ, 2597). Gerhard Schroll erreicht mit 4,5 Punkten wie Fauland seine Eloerwartung und kann sich zudem über Remisen gegen Hrant Melumyan (ARM, 2622) und Zahar Efimenko (UKR, 2677) freuen.
Gerhard Schroll
Mario Schachinger
Andreas Diermair
Alexander Fauland
Alles in allem bringt Legnica die bisher erfolgreichte Einzel-EM aus rot-weiß-roter Sicht. Glückwunsch an das gesamte Team:
Fauland, Ursula Huber, Martin Huber, Diermair, Ribli, Ragger, Schachinger, Kreisl, Shengelia