"Exciting chess", jubeln Judit Polgar und Lawrence Trent, die Kommentatoren der englischen Live-Übertragung, über den bisherigen Verlauf des Kandidatenturniers in Berlin. Zurecht! Die Spieler gehen mit hochgezogenem Visier aufeinander los und produzieren eine fesselnde Partie nach der anderen. Der dramatische Höhepunkt der vierten Runde spielt sich in der Partie Vladimir Kramnik gegen Fabiano Caruana ab, in der es zum Führungswechsel kommen sollte. Nach einer ruhigen russischen Eröffnung übernimmt Caruana nach einer missglückten Umgruppierung von Kramnik mit g5 die Initiative und kommt zu großem Vorteil, der zu einem Figurengewinn führt. Allerdings bekommt Kramnik einen weit vorgerückten Bauern der siebenten Reihe und weitere Freibauern am Damenflügel. Knapp vor der ersten Zeitkontrolle dreht sich die Partie. Caruana verliert mit seinem Springer Zeit wonach Kramniks Bauern den Amerikaner überrollen. Aus einer Vielzahl an guten Möglichkeiten verpasst Kramnik unter Zeitdruck gewinnversprechende Fortsetzungen und das Drama nimmt seinen Lauf. Knapp vor der zweiten Zeitkontrolle passiert dem Russen ein Fehler, der ihn die Partie kostet. Statt Caruana eineinhalb Punkte hinter sich zu lassen, übernimmt der Amerikaner von Kramnik die Führung. Ein "big point", der Caruana zudem mit Selbstvertrauen aufpumpt. Kramnik ist wohl bewußt, welche Chance er hier verpasst hat. Ein wichtiger Sieg gelingt Levon Aronian gegen Sergey Karjakin. Der WM-Herausforderer von 2016 opfert zwei Bauern, erhält aber keine ausreichende Kompensation und ist mit seiner zweiten Weiß-Niederlage so gut wie aus dem Titelkampf. Eine unglaubliche Partie liefern sich Alexander Grischuk und Ding Liren. Grischuk ist bestens vorbereitet und spielt ein Figurenopfer, das der bulgarische Ex-Weltmeister Veselin Topalov in die Praxis eingeführt hat. Nach einem Fehler des Chinesen hat Grischuk einen Zug lang die Chance zu gewinnen, verpasst sie aber. Die Partie steht danach auf des Messers Schneide, Grischuk rettet am Ende gerade noch ein Remis. Shakhriyar Mamedyarov holt auch aus seiner zweiten Weißpartie gegen Wesley So keinen Vorteil aus der Eröffnung und muss sich bald der Punkteteilung fügen. In der heutigen fünften Runde spielen Aronian-Grischuk, Caruana-Karjakin, So-Kramnik und Ding-Mamedyarov. (wk, Foto: FIDE)
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Blog von Stefan Löffler in der Frankfurter Allgemeine
Berichte von Anatol Vitouch in "DerStandard"
Daniel King: Videozusammenfassung der 4. Runde