Am vierten Spieltag gibt es in Jekaterinburg erstmals keine Gewinnpartie. Maxime Vachier-Lagrave war gegen Alexander Grischuk knapp dran einen vollen Punkt einzufahren, aber er verpasst im 30. Zug seine (einzige) Chance. Die längste Partie des Tages zwischen Fabiano Caruana und Ian Nepomniachtchi endet ebenfalls mit einer Punkteteilung. An der Spitze gibt es weiter keinen klaren Führenden. Ian Nepomniachtchi, Maxime Vachier-Lagrave und Wang Hao führen das Feld mit 2,5/4 an.
Die aufregendste Partie des Tages war jene zwischen Vachier-Lagrave und Grischuk. Der Russe ist der ein einzige Spieler, der bisher alle Partien remisiert hat. Vachier-Lagrave eröffnet wie erwartet mit 1.e4, Grischuk antwortet wie in seiner ersten Partie mit der Berliner Verteidigung. Die Züge gehen beiden bis zum 18. Zug schnell von der Hand, dann beginnt Grischuk zu grübeln, insgesamt 53 Minuten, um schließlich mit Se7 einen Zug zu spielen, der bereits in einer Partie zwischen Vachier-Lagrave und Nakamura am Brett stand. Im nächsten Zug verbraucht der Russe erneut 21 Minuten. Für den Rest der Partie bleiben ihm nur wenig Restzeit, während sein Gegner noch rund eineinhalb Stunden auf der Uhr hat. Im 20. Zug opfert Vachier-Lagrave seinen c3-Bauern und erhält im Gegenzug starken Druck auf die schwarze Stellung. In hoher Zeitnot passiert Grischuk om 29. Zug ein Fehler, den Vachier-Lagrave mit 30.Te4 entscheidend hätte ausnutzen können. Er spielt aber (zu) rasch ein Läuferschach auf a3 und verpasst damit seine Chance. Im Interview meint er auf Te4 einfach vergessen zu haben, während Grischuk eingesteht, dass es dumm war eine Stunde für einen offensichtlichen Zug zu ver(sch)wenden. Das entstehende Turmendspiel hält Grischuk trotz seiner Zeitnot sicher im Gleichgewicht.
Die Partie zwischen Fabiano Caruana und Ian Nepomniachtchi entwickelt sich in einer grünfeldindischen Verteidigung sehr rasch. Beide spulen ihre Vorbereitung herunter. Allerdings scheint jene von Caruana weiter zu gehen. Er dürfte selbst das entstandene Endspiel noch weit analysiert haben. Jedenfalls gelingt es ihm selbst mit wenigen Figuren unangenehmen Druck aufzubauen. Sein Trumpf ist ein weit vorgeschobener Bauer auf h6, der die Stellung des schwarzen Königs gefährlich einengt. Nach einer Ungenauigkeit von Caruana ist der Vorteil aber plötzlich weg. Nepomniachtchi kommt zu f5 nebst Damentausch und nun ist es Caruana, der genau spielen muss um im Läuferendspiel das Remis zu erreichen. Die Partie endet im 55. Zug nach fünf Stunden Spielzeit.
Wang Hao und Kirill Alekseenko treffen in Jekaterinbug zum erstenmal überhaupt aufeinander. Alekseenko scheint in einem g3-Grünfeldinder mit d5 und c6 leicht auszugleichen. Die Kommentatoren meinen sogar seine Stellung sei bereits leichter zu spielen. Dann passiert ihm aber mit 13.- Ta6 ein Tempoverlust, wonach Wang Hao einigen Druck aufbauen kann. Es gelingt dem Russen aber akkurat zu verteidigen und die weißen Ideen zu neutralisieren. Der Remisschluss folgt im 41. Zug.
Ding Liren, der nach seinem Sieg gegen Caruana nur einen Punkt hinter der Spitze liegt, remisiert mit Weiß gegen Anish Giri in einer katalanischen Eröffnung. Erneut zeigt sich Giri bestens vorbereitet. Wie Caruana schickt er seinen h-Bauern auf die Reise um den gegnerischen König zu gefährden. Ding entscheidet sich für einen sicheren Springerzug und verhindert, dass der Bauer nach h3 gelangt. Im Interview meint er damit aber etwas von einem möglichen Vorteil hergegeben zu haben. Nach einem massiven Abtausch endet die Partie in einem Endspiel mit Turm und Läufer, das keiner Seite mehr eine Siegchance gab. Die Punkteteilung war das logische Ende.
In der offizielle Live-Kommentierung kam es gestern zu einem Gast-Auftritt von Judit Polgar. Die wohl beste Spielerin aller Zeiten sprach von einer außergewöhnlichen Situation, bedingt durch das Coronavirus, sieht darin aber auch eine Chance für Schach, insbesondere mit der Möglichkeit Turniere online zu organisieren. (wk, Presseinfo/Fotos: FIDE)
Stand nach der 4. Runde:
1-3. Ian Nepomniachtchi, Maxime Vachier-Lagrave, Wang Hao – 2½
4-5. Fabiano Caruana and Alexander Grischuk – 2
6-8. Ding Liren, Kirill Alekseenko and Anish Giri – 1½
Die fünfte Runde bringt heute, Sonntag, dem 22. März, die folgenden Paarungen:
Anish Giri (NED) – Fabiano Caruana (USA)
Alexander Grischuk (RUS) – Ding Liren (CHN)
Kirill Alekseenko (RUS) – Maxime Vachier-Lagrave (FRA)
Ian Nepomniachtchi (RUS) – Wang Hao (CHN)
Links:
FIDE, Offizielle Turnierseite
Videokommentare von Markus Ragger (Youtube)
Runde 1, Runde 2, Runde 3, Runde 4
Der englische Großmeister Daniel King hat alle Kandidaten auf Youtube vorgestellt:
Caruana, Ding, Grischuk, Nepomniachtchi, Vachier-Lagrave, Giri, Wang, Alekseenko.